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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Brauss mußte entweder mutiger - oder noch dümmer - sein, als Haymar erwartet hatte, denn nach einigen weiteren Sekunden sagte er: »Und was ist, wenn sie verschwinden?«
    »Wohin denn?« fragte Haymar abfällig. Er teilte zwar Brauss' Sorge, daß dort vorne irgend etwas schiefgegangen sein könnte, aber nicht die, daß Sillmann und diese beiden Polizisten ihnen entkamen. Es gab nur diesen einen Weg in die Fabrik hinein oder heraus, und den blockierten sie vollkommen. Natürlich konnten sie theoretisch versuchen, den Wagen stehenzulassen und auf der Rückseite des Geländes über den Zaun zu klettern, aber wirklich nur theoretisch. Haymar hatte mit eigenen Augen gesehen, in welchem Zustand der Junge war. Zu Fuß kam er keine hundert Meter weit.
    »Wir sollten wenigstens nachsehen « , beharrte Brauss. Er streckte die Hand nach de m Fernglas aus, zögerte eine Se kunde und ergriff es dann, als Haymar nicht protestierte.
    Haymar hielt den Atem an, als er das Gerät an die Augen hob. Nichts geschah. Natürlich nicht. Trotzdem war er nahe daran, Brauss zu warnen oder ihm den Feldstecher gleich aus der Hand zu schlagen. Statt dessen ließ er ein paar Sekunden verstreichen, dann sagte er: »Sie müssen es einschalten.«
    Brauss ließ das Gerät verdattert sinken, sah Haymar einen Herzschlag lang verlegen an und drückte dann überhastet die entsprechende Taste. Ein winziges grünes Licht glomm an der li nken Seite des Apparates auf. »Danke«, murmelte er.
    Hastig setzte er das Gerät wieder an, schwenkte es in Richtung der Fabrik und drehte an der Feineinstellung.
    Dann explodierte sein Gesicht. Haymar konnte hören, wie irgend etwas mit furchtbarer Gewalt direkt durch die Optik des Gerätes hindurch in seine Augen fuhr und sie zerriß.
    Brauss schrie auf. Sein Kopf wurde wie von einem Hammerschlag getroffen und gegen die Kopfstütze geschleudert. Zwischen dem Okular des Fernglases und seinen Augen schoß eine Blutfontäne hervor, besudelte die Sitze, die Scheiben und Haymars Gesicht. Brauss' ganzer Körper bäumte sich mit solcher Gewalt auf, daß das untere Viertel des Lenkrades einfach wegsplitterte und Haymar hören konnte, wie seine Oberschenkel brachen, und Brauss schrie noch immer. Seine Hände fuhren unkontrolliert durch die Luft, zerschmetterten das Seitenfenster und trafen Haymar mit solcher Wucht, daß er benommen gegen die Beifahrertür sank.
    Dann, endlich, hörte Brauss auf zu schreien. Sein Oberkörper sank nach vorne, und seine Stirn schlug auf dem zerschmetterten Lenkrad auf. Aber noch im Tode rollte sein Kopf zur Seite, als wäre ihm im nachhinein aufgefallen, daß da noch etwas war, was er Haymar zeigen wollte.
    Sein Gesicht war verzerrt und so voller Blut, daß es wie eine bizarre rote Faschingsmaske aussah, nur daß sie anstelle von Augen zwei faustgroße, blutige Krater mit zerfetzten Rändern hatte, aus denen grauer Rauch aufstieg.
    Haymar starrte das grauenhafte Bild eine geschlagene halbe Minute lang an, ehe er ganz langsam den Blick senkte und auf das Fernglas herabblickte, das in einer rasch größer werdenden Blutlache zwischen Brauss' Füßen lag, und plötzlich sah er noch einmal ganz deutlich das furchtbare klauenbewehrte Ding, das so jäh in der Optik aufgetaucht war. Hätte er nur eine halbe Sekunde später reagiert...
    Brauss' Körper rutschte mit einigen Sekunden Verspätung seitlich vom Lenkrad herunter und prallte gegen die Tür, und das dumpfe Geräusch holte Haymar endgültig in die Realität zurück. Mit zitternden Fingern riß er das Funkgerät aus der Halterung, schaltete es ein und wechselte auf eine andere Frequenz als die, auf der er gerade noch versucht hatte, Berger zu erreichen.
    46. Kapitel
    Das Gebäude schien vollkommen verlassen zu sein. Der Korridor, durch den sie kamen, führte an einem Dutzend Türen vorbei, die fast allesamt offenstanden: Büros, Konferenz- und Laborräume, von denen sie nur die durch das aus dem Gang hereinfallende Licht erhellten winzigen Ausschnitte sehen konnten. Hier und da blinzelte das grüne Lämpchen eines Telefons oder Computerterminals, das von seinem Besitzer nicht ausgeschaltet worden war, aber die kurze Schreckensvision, die Bremer für einen Moment gehabt hatte, als sie ins Haus hineingingen, wurde nicht wahr: Niemand sprang plötzlich hinter einer Tür hervor und richtete eine Waffe auf sie oder eröffnete gleich das Feuer. Der Posten draußen war offensichtlich allein gewesen.
    Wie der Pförtner gesagt hatte, führte der Korridor

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