AZRAEL
säuberlich die Kehle durchgeschnitten.
»Verdammte Sauerei!« fluchte Lech. Er fingerte nervös an seiner MPi herum. »Was geht hier vor.«
»Der Junge«, sagte Haymar düster. »Das war der Junge. Oder diese verdammten Bullen.«
Lech blickte ihn zweifelnd an. Er war zwar ein Hitzkopf, aber das bedeutete schließlich nicht, daß er auch dumm war.
»Irgendwas stimmt hier doch nicht«, sagte er. »Verdammt, was geht hier überhaupt vor? Ich denke, wir haben es mit zwei Polizisten und einem dummen Jungen zu tun? Das hier waren Profis!«
Das war etwas ganz anderes, dachte Haymar. Und ich glaube nicht, daß du wirklich wissen willst, was. Laut sagte er: »Ich weiß es nicht. Aber in einem hast du recht. Hier stimmt was nicht. Los jetzt - in den Keller.«
Lech drehte sich zwar gehorsam um, machte aber nur einen einzigen Schritt und blieb dann wieder stehen. »Berger sagte—«
»Berger«, unterbrach ihn Haymar schneidend, »ist wahrscheinlich schon tot. Und wenn nicht, dann wird er es sein, wenn wir noch lange hier herumtrödeln.«
Hintereinander stürmten sie in das Haus und den langen Korridor entlang. Lech und Andres warfen im Vorüberrennen hastige Blicke in die Zimmer, die vom Gang abzweigten, und zumindest einmal schien Lech irgend etwas Verdächtiges gesehen zu haben, denn er jagte einen kurzen Feuerstoß aus seiner Waffe durch die Tür. Glas splitterte, und etwas fiel po l ternd um, aber Haymar machte sich nicht einmal die Mühe, nachzusehen, was Lech getroffen hatte. Sollte er ruhig schießen, wenn er wollte. Es würde nicht viel nutzen. Sie waren in Gefahr, das spürte er, aber was immer es war, das sie verfolgte - sie wü rden es ganz bestimmt nicht mit diesen Waffen erledigen können.
52. Kapitel
Sendig schoß nicht. Vielleicht hätte er es getan, vielleicht war es auch nur ein Bluff, aber die Antwort auf diese Frage sollte Bremer nie bekommen, denn in diesem Moment drang von draußen das dumpfe, nachhallende Grollen einer Explosion herein, die den Boden spürbar erzittern ließ. Sendig fuhr zusammen und sah alarmiert auf, und praktisch im gleichen Augenblick konnte Bremer spüren, wie irgend etwas mit Mark geschah. Sein Körper spannte sich. Bremer konnte fast sehen, wie die verlorene Kraft in ihn zurückfloß, das Leben sich noch einmal seinen Platz behauptete und den Ansturm des Todes zurückdrängte. Mark keuchte wie unter einem grausamen Schmerz, öffnete die Augen und riß sich mit einem Ruck aus seiner Umklammerung los.
»Bremer! «, schrie Sendig. »Halten Sie ihn fest! «
Bremer versuchte es, aber er hatte keine Chance. Mark trat einen Schritt auf seinen Vater und Sendig zu. Bremer griff nach ihm, aber Mark schlug seine Hand einfach beiseite, mit einer fast beiläufigen Bewegung und so schnell, daß Bremer es nicht einmal wirklich sah, aber zugleich so hart, daß er mit einem Schmerzensschrei gegen die Wand taumelte und die Hand an den Leib preßte.
Sendig wirbelte herum. Er riß die Pistole hoch, und diesmal wußte Bremer, daß er schießen würde, aber er hatte ebensowenig eine Chance wie er. Mark ergriff mit dem verletzten Arm sein Handgelenk, drehte es herum und drückte so kraftvoll zu, daß Sendig die Waffe fallen ließ und Bremer hören konnte, wie seine Knochen knackten.
Mark schleuderte ihn achtlos zur Seite und bewegte sich weiter. Sein Vater war stehengeblieben und sah ihm aufmerksam entgegen. Auf seinem Gesicht lag noch immer diese unheimliche Mischung aus Furcht und Entschlossenheit, die Bremer schon vorhin beobachtet hatte.
»Mark«, sagte er. »Komm zu mir. Es wird alles gut, das verspreche ich dir.«
Mark ging langsam weiter. Er bewegte sich wie in Trance, zugleich aber auch sehr sicher und auf eine schwer in Worte zu fassende Weise unaufhaltsam. Sein Arm blutete wieder und hinterließ eine dünne Tropfenspur auf dem Boden, die sich mit dem eingetrockneten Blut der Toten vermischte. Er stirbt, dachte Bremer. Er mußte verbluten. Er hatte zu viel Blut verloren. Das Mittel, das Sendig ihm gespritzt hatte, spiegelte seinem Körper vielleicht noch einmal die Illusion von Kraft vor, und sie und der unglaubliche Wille dieses Jungen gaben ihm noch irgendwie die Energie, sich zu bewegen. Aber irgendwann würde sein Körper einfach aufgeben wie eine ausgebrannte Maschine.
Und vielleicht war das das Schlimmste, was ihnen passieren konnte. Instinktiv sah er zur Tür. Der schwarze Engel war noch nicht da. Aber er kam näher. Bremer konnte seine Nähe mit körperlicher Intensität
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