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AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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den Hals falle, weil Sie mir etwas anbi e ten, das Sie mir selbst weggenommen haben?«
    Sendig zog eine abfällige Grimasse. »Halten Sie mich meinetwegen für ein Schwein«, sagte er gleichmütig. »Es soll mir recht sein. Ich habe einen Ruf zu verteidigen, wissen Sie. Ich bitte Sie um Ihre Hilfe, nicht, mich zu heiraten.« Er stand auf. »Also?«
    »Kann ich es mir überlegen?« fragte Bremer.
    »Selbstverständlich.« Sendig deutete auf die Tür. »Genau so lange, wie ich brauche, um zur Tür zu gehen und diesen Raum zu verlassen. Danach werde ich leugnen, dieses Gespräch jemals geführt zu haben.«
    Eine innere Stimme flüsterte Bremer zu, daß er besser beraten war, die Frage nicht laut auszusprechen, die ihm auf der Zunge lag, aber er ignorierte sie und fragte: »Und was, wenn ich nein sage? Immerhin könnte ich zu der geheimnisvollen Stimme am Telefon gehen und ihr alles erzählen.«
    Sendig verzog keine Miene. »Das würde ich bedauern«, sagte er kühl. »Aber in diesem Fall müßte ich Innen wohl beweisen, was für ein Schwein ich wirklich sein kann.«
    Das ließ an Deutlichkeit nicht viel zu wünschen übrig, und Bremer glaubte ihm jedes Wort. Wenigstens waren die Fronten jetzt geklärt, dachte er. »Also gut«, sagte er. »Sie haben gewonnen. Es ist zwar völlig verrückt, aber ich bin dabei.«
    »Es freut mich, daß Sie sich so entscheiden«, sagte Sendig. »Ich fahre jetzt nach Hause und ziehe mich um. Meine Frau wird wahrscheinlich schon eine Vermißtenanzeige aufgegeben haben. Ich wollte auf dem Rückweg von der Oper nur noch mal kurz ins Büro, um eine Akte zu holen. Seither hat sie nichts mehr von mir gehört. Ich hole Sie in, sagen wir...« Er sah auf die Uhr. »... zwei Stunden ab, und wir fahren zusammen zu Herrn Sillmann, um ihm die eine oder andere Frage zu stellen. Einverstanden?«
    Bremer nickte, und Sendig ging, ohne sich zu verabschie den. Bremer starrte die geschlossene Tür hinter ihm noch eine ganze Weile an, selbst als Sendig das Haus längst verlassen hatte und er hören konnte, wie sein Wagen unten auf der Straße abfuhr. Seine Gedanken rasten, aber gleichzeitig schienen sie sich auch träge wie halb erstarrter Sirup zu bewegen. Was er in den letzten zehn Minuten gehört hatte, das war unglaublicher und zugleich erschreckender als alles, was ihm in seinen bisherigen Dienstjahren untergekommen war. Hatte Sendig gerade wirklich zugegeben, daß er sich hatte kaufen lassen? Und hatte er tatsächlich fast im gleichen Atemzug versucht, ihn zu kaufen?
    Und so unglaublich dieser Gedanke schon klang, es gab einen, der noch erschreckender war, nämlich den, daß er, Bremer, im Grunde gar nichts dagegen hatte, sich kaufen zu lassen.
    8. Kapitel
    In all den Jahren, die er jetzt hierherkam, hatte sich dieser Raum nicht verändert. Das Antlitz der Klinik befand sich in einem sehr langsamen, aber beständigen Wandel: Türen und Fenster waren in freundlichen Farben gestrichen worden, verschlissene Teppiche ersetzt, das eine oder andere Bild aufgehängt oder abgenommen, das eine oder andere Gesicht ausgetauscht worden. Aber an diesem speziellen Zimmer waren sämtliche Veränderungen spurlos vorübergegangen. Tapeten und Mobiliar waren ebenso geblieben wie die beiden geschmackvollen Drucke an der dem Fenster gegenüberliegenden Wand. Auf dem Tisch stand noch immer der gleiche Aschenbecher aus weißem Carrara-Marmor wie vor vier Jahren, ja selbst die Zeitschriften, die säuberlich aufgestapelt auf einem kleinen Tischchen neben dem Fenster lagen, schienen die gleichen zu sein wie immer.
    Natürlich wußte Mark, daß das nicht stimmte. Das Titelbild der obersten Illustrierten hatte er am Morgen in der Auslage des Bahnhofskioskes gesehen, und wahrscheinlich wären ihm noch mehr Veränderungen aufgefallen, hätte er nur danach gesucht. Die Wahrheit war, daß er es nicht wollte. Sein Leben, das während des zurückliegenden halben Jahrzehnts aus praktisch nichts anderem als Warten bestanden hatte, war innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden derart – und derart schnell - in Bewegung geraten, daß er sich plötzlich fast verzweifelt an jede noch so kleine Konstante klammerte, die er fand. Selbst wenn sie in Wirklichkeit gar nicht da war.
    Er hörte Schritte draußen auf dem Flur, und fast im gleichen Moment wurde die Tür geöffnet. Mark wappnete sich gegen den Anblick, der sich ihm bieten würde, obwohl er wußte, daß er nicht dramatisch oder auch nur erschreckend war. Aber er war nervös. Auf seiner

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