Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AZRAEL

AZRAEL

Titel: AZRAEL Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Streifenpolizist, kein Kripobeamter.«
    »Ich traue keinem einzigen davon.« Sendig stand auf und trat ans Fenster. Er blickte eine ganze Weile wortlos hinaus und zündete sich eine Zigarette an, ehe er fortfuhr: »Sie waren damals bei der Sillmann-Geschichte dabei, Bremer. Ich habe Sie gleich wiedererkannt, obwohl es sechs Jahre her ist. Wollen Sie wissen, warum? Weil ich genau gesehen habe, wie Sie die Geschichte mitgenommen hat. Ich meine... wir waren alle ziemlich mit den Nerven runter, aber Sie waren einer der wenigen, die es gewagt haben, sich ihre Gefühle wirklich anmerken zu lassen.«
    »Ja, ich erinnere mich«, sagte Bremer. Seine Stimme nahm ohne sein Zutun einen säuerlichen Klang an, aber er ver s uchte auch nicht, dagegen anzukämpfen. Es war seine erste persönliche Begegnung mit Sendig gewesen - an der Zigarre, die er ihm verpaßt hatte, hatte er eine Woche lang geraucht. Und was die Gefühle anging,..
    ...nur ein Stein hätte keine Regung gezeigt bei diesem Anblick. Vier Tote waren ein bißchen viel, um sie einfach so wegzustecken. Zwei davon waren praktisch noch Kinder gewesen.
    Sendig lachte leise, aber es klang nicht echt. »Ja, und wahrscheinlich sind Sie heute noch sauer auf mich, weil ich Sie damals so angeblafft habe. Dabei war ich genauso fertig wie Sie. Glauben Sie es oder nicht - aber ich habe geheult wie ein Schloßhund, als ich zu Hause war. Jeder von uns hat eben seine eigene Art, mit den Ereignissen fertig zu werden.«
    Er sog an seiner Zigarette und blies eine graue Rauchwolke gegen die Scheibe. »Aber ich bin nicht hier, um Ihnen mein Herz auszuschütten. Wissen Sie, wie die Geschichte damals ausgegangen ist?«
    »Nein«, sagte Bremer.
    »Können Sie auch gar nicht«, antwortete Sendig, ohne sich zu ihm umzudrehen. »Sie ist nämlich nicht ausgegangen. Bis heute nicht.«
    »Aber ich dachte —«
    »Sie dachten dasselbe, was alle dachten«, fiel ihm Sendig ins Wort. »Sie dachten das, was Sie denken sollten. Aber die Wahrheit sieht ein bißchen anders aus.«
    »Und wie?«
    »Ich wäre wahrscheinlich nicht hier, wenn ich das wüßte«, antwortete Sendig. Er setzte sich wieder, drückte die Zigarette auf seiner Untertasse aus und trank den letzten Schluck Kaffee. »Die offizielle Version ist, daß es sich um einen tragischen Unfall gehandelt hat. Ein paar ausgeflippte Junkies, die es übertrieben und die Quittung dafür bekommen haben.«
    »Aber Sie glauben das nicht.« Worauf wollte Sendig hinaus?
    »Sagen wir: Man hat mir zu verstehen gegeben, daß ich besser daran täte, es zu glauben. Vor sechs Jahren - und vor knapp zwei Stunden noch einmal.«
    »Wie bitte?« entfuhr es Bremer.
    Sendig zuckte mit den Schultern und zündete sich schon wieder eine Zigarette an, obwohl er die erste nicht einmal zu einem Drittel aufgeraucht hatte. »Schlechte Nachrichten sprechen sich offenbar wirklich schnell herum«, sagte er paffend. »Man hat mir jedenfalls erneut zu verstehen gegeben, daß die Ermittlungen besser zu dem Ergebnis führen sollten, nach dem gestern alles aussah. Der tragische Selbstmord eines Geistesgestörten.«
     » Man? « sagte Bremer betont. »Wer ist man? «
    Sendig lächelte dünn und verbarg das Gesicht hinter einer blaugrauen Rauchwolke. »Ich weiß es nicht. Eine Stimme am Telefon, mehr kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Der Sie so einfach gehorchen?«
    »Nichts ist einfach, Bremer«, sagte Sendig. »Vielleicht werde ich es Ihnen irgendwann einmal erklären, wahrscheinlich aber nicht. Geben Sie sich damit zufrieden: Es gibt in diesem Land ein paar Dienstausweise, die Sie wahrscheinlich noch nie im Leben zu Gesicht bekommen haben, und Sie sollten beten, daß es so bleibt.«
    »Einen Moment, bitte«, sagte Bremer. Sein Kopf tat noch immer weh, aber er war mit einem Male hellwach. Wem wollte Sendig eigentlich diese Räuberpistole erzählen? »Nur, damit ich das richtig verstehe: Sie behaupten, daß man Sie damals gezwungen hat, die Ermittlungen zu verschleppen. Sie? « Das letzte Wort hatte er in so zweifelndem Ton ausgesprochen, daß sich ein verkniffenes Lächeln auf Sendigs Gesicht stahl.
    »Das kommt Ihnen seltsam vor, nicht? Aber eine ganze Reihe von Leuten haben damals überraschend Karriere gemacht oder sind unerwartet zu Geld gekommen.«
    Diesmal verging eine Weile, bevor Bremer überhaupt begriff, was Sendig damit sagen wollte. Ungläubig riß er die Augen auf. »Sie wollen mir nicht im Ernst erzählen, daß man Sie bestochen hat.«
    »Niemand hat mir irgend etwas

Weitere Kostenlose Bücher