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Azrael

Azrael

Titel: Azrael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Killough-Walden
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wenigen Jahre dafür genügt. Sonst wäre Sophie nach allem, was Jules ihr in den letzten paar Tagen erzählt hatte, in der Klapsmühle gelandet. Oder sie würde glauben, Jules würde dorthin gehören. Ohne Genevieves Einfluss auf ihre Tochter wäre es Juliette viel schwerer gefallen, die Freundin davon zu überzeugen, dass es sich bei den stattlichen jungen Männern tatsächlich um die vier Erzengel handelte.
    Nun spürte Sophie die enorme physische Präsenz der Erzengel, begegnete ihren magnetischen Blicken, und es stand endgültig fest: diese magische Welt gab es tatsächlich. Gar nicht zu reden von dem Beweis, den Eleanore für ihre Macht geliefert hatte …
    Außerdem hatte Juliette der Freundin ihre Flügel gezeigt – echte Flügel. Jules konnte praktischerweise entscheiden, wann sie auftauchen sollten und wann nicht. Denn sie waren ziemlich groß, je etwa zweieinhalb Meter breit. Und was Sophie am meisten beeindruckte, sie funktionierten.
    Das tat ihr ein bisschen weh. Gewiss, sie freute sich für Juliette und an deren Glück, weil Jules nur das Allerbeste verdiente. Schon immer war sie herzensgut gewesen, einfühlsam, verständnisvoll, großzügig. Eine bessere Freundin konnte Soph sich nicht wünschen. Sie hatten sich in der Highschool kennengelernt, kurz nach Sophies Ankunft bei ihren fünften Pflegeeltern. Dank eines günstigen Zufalls, wie er vielen Leuten zu engen Freundschaften verhilft, hatten ihre Spinde nebeneinander gelegen. Juliette entdeckte das Jack-the-Pumpkin-King- Posterin Sophies Spind und erwähnte, sie würde an diesem Freitagabend allein zu einer Reel-Classics-Aufführung des Films Nightmare Before Christmas gehen. Ohne zu zögern, fragte sie, ob Sophie mitkommen würde. Und das war’s gewesen. Erstaunlich schnell und innig entstand eine fast magische Freundschaft. Jules hatte Soph niemals vorgeworfen, sie habe keine »richtige« Familie und keine »gute Erziehung«. Für Sophie war das ein Geschenk des Himmels gewesen, und sie wusste nicht, was sie ohne Jules tun würde.
    Und doch … Als Juliette sie auf eine Klippe geführt, diese großartigen Flügel ausgebreitet und sich in die Luft erhoben hatte, war Sophie von einem völlig neuen Gefühl erfasst worden. Eifersucht auf ihre beste Freundin. Neid.
    Ein bitteres Gefühl, das einen schlechten Geschmack auf ihrer Zunge hinterlassen hatte und ihr den Magen zusammenzog. Dagegen konnte sie nichts tun. Alles würde sie für die Fähigkeit geben, den Fesseln der Erde zu entrinnen, den Dingen, die sie hier unten festhielten. Alles …
    Nun erreichte das Brautpaar das Ende des Mittelgangs, und Gabriels schottische Freunde warfen Blütenblätter. Hunderte weißer Rosenblüten rieselten auf die beiden herab, Glückwünsche erklangen, untermalt von der grandiosen Musik der Dudelsackpfeifer, die sich wie Wachtposten entlang der Schlossmauer postiert hatten. Zutiefst bewegt von der romantischen Szene, flüsterte Sophie vor sich hin: »Meine beste Freundin hat geheiratet.« Erst jetzt wurde ihr die Bedeutung des Ereignisses richtig bewusst.
    Lachend zupfte Juliette die Rosenblütenblätter aus ihrem schönen Haar. Dann sah Sophie, wie zärtlich Gabriel die Wange seiner Frau küsste und die Augen schloss, im Wunder seines neuen Eheglücks versunken.
    Und Soph lächelte. »Alles Gute, Jules, du verdienst ihn.«
     
    Azrael stand allein im Waschraum der Herrentoilette, die eigens für die Hochzeitsgäste vor Slains Castle errichtet worden war. In der Luft hing eine unheimliche Vorahnung. Stürme brauten sich zusammen. Heiße, zerstörerische Hurrikane wühlten Azraels Seele auf und flehten um ihre Entfesselung. Zitternd rang er nach Atem und presste seine Stirn gegen den Spiegel. Dann blickte er auf und betrachtete sein Gesicht.
    Noch ein menschlicher Mythos erwies sich auf schreckliche Weise als falsch. Vampire konnten ihre Spiegelbilder sehen. Nur Geister nicht. Die Zähne gefletscht, brach er in kaltes, hartes Gelächter aus. In diesem Moment schwirrten furchtbar dumme Gedanken durch seinen Kopf. Wie Glühwürmchen durch eine pechschwarze Nacht. Chaotisch, sinnlos, eine höchst unwillkommene Ablenkung.
    In seinem Gehirn hallte Sophies gewisperte Sehnsucht wider. Alles würde ich dafür geben. Sie hatte an Juliettes Flügel gedacht und sich gewünscht, sie könnte fliegen. Wenn sie wüsste, welch eine gefährliche Verlockung ihre Gedanken waren … Ganz zu schweigen von ihrer Reaktion auf das Bild, das er so achtlos in ihre Fantasie geschickt hatte

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