Azraels Auftrag (German Edition)
Luft geschleudert. Noch bevor er auf dem Boden aufschlug, erkannte er die Ausläufer des gewaltigen Blitzes, der in die Gesteinsgruppe geschlagen war, wo Mika eben noch gesessen hatte.
Mika knallte auf den Boden und blieb liegen. Noch immer war das Echo der grollenden Donner zu hören, kleinere Blitze zuckten über die Oberfläche seines Anzuges und verloren sich in tausend winzigen Verästelungen.
Alles Hi-Tech, -zigfach getestet und Blitzschlaggeprüft. Da kann nichts passieren. vernahm Mika und erinnerte sich an eines der letzten Gespräche in ihrer alten Baracke in Ramstein.
Das war der Moment, in dem Mika von einem absolut verrückten Gedanken befallen wurde.
Zwischenwelt
So weit sie sich erinnern konnte, hatte es sich bisher nur dreimal ereignet, dass in der kühlen Jahreszeit Schnee fiel. Es war ein sehr ungewöhnliches Bild, nur wenige Wolken befanden sich am Himmel, am südlichen Teil des Firmaments zeichneten sich zwei Monde ab. Ein leichter Wind wehte vom Meer herüber und bewegte die blattlosen Äste der kleinen Baumgruppe.
Der Tag hatte recht mild begonnen, doch die Temperatur war innerhalb den letzten Minuten um weit mehr als zehn Grad gefallen.
Eleeya zog den bodenlangen Mantel enger um sich und blieb stehen. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Zarte Schneeflocken fielen vom Himmel herab, es schien, als ob aus dem blau-grünen Himmel tausend weißer Blütenblätter des Yohnaa-Baums fallen würden.
Alles wirkte so ruhig, so unendlich friedlich.
Die Kapuze von Eleeyas Mantel fiel nach hinten herab und entblößte bis auf den Rücken fallendes, weißes Haar.
Eleeya lächelte.
Doch es war ein nachdenkliches, trauriges Lächeln.
Sechs Jahre sind vergangen, seit sie den letzen Kontakt zu Vater hatte. Sechs lange, einsame Jahre, in denen sie ausreichend Gelegenheit hatte, über das Vergangene nachzudenken.
Über den Auftrag, über ihre Fehler, die sie gemacht hatte. Fehler, die sie nicht mehr rückgängig machen konnte.
Eleeya sog tief die kalte Luft in sich hinein.
Vater hatte ihr gesagt, dass sie sich weiter im Sinne des Auftrages vorbereiten sollte. Sie alleine hätte zu entscheiden, was sie dazu tun und lassen sollte. Vielleicht wäre es ja das Beste, einfach gar nichts zu machen.
Eleeya hatte einfach mit den Übungen weitergemacht, die Azrael damals mit ihr durchgegangen war. Die verschiedenen Elemente erkennen, welche unaufhörlich im Strom unterwegs sind, diese nach Belieben festhalten, umwandeln und wieder loslassen.
Eleeya hatte anhand dieses einfachen Prinzips, das sie immer wieder durchgegangen ist, erkannt, was sie in der Vergangenheit falsch gemacht hatte.
Nein, korrigierte sie sich, sie hatte damals nichts falsch gemacht. Sie wusste heute nur sehr viel mehr und hatte erkannt, wie man unzählige Dinge aus ihrer heutigen Sicht besser machen konnte, doch letztendlich war alles eine Frage des Standpunktes.
Definitiv, sie würde heute sehr vieles anders machen, aber gleichzeitig wusste sie auch, dass die Beurteilung, ob es auch wirklich besser wäre, eine rein individuelle Wertung darstellte.
Die ersten Schneeflocken berührten Eleeyas Gesicht. Sie war älter geworden, doch Ihre Gesichtszüge zeigten auch weitere Veränderungen - sie wirkten wesentlich härter und entschlossener als früher. Eleeyas trauriges Lächeln verzerrte sich und ein Glitzern ging durch ihre Augen.
Hätte sie doch damals nur ihr heutiges Wissen gehabt, ganz gewiss, sie würde Carlos nicht noch einmal allein lassen. Nein, so etwas würde ihr nie wieder passieren.
Eleeyas Fäuste ballten sich, sie presste die Kiefer aufeinander und sog erneut tief die Luft ein. In ihren Augen war ein wütendes Funkeln, als sie den Blick zum Himmel richtete. Hoch oben stand Denaan, die ihr sanftes Licht ausstrahlte. Eleeya hob zum Schutz gegen die Helligkeit ihre Hand vor die Augen.
„ Nie wieder“, formten ihre Gedanken.
Eleeya presste die Zähne aufeinander, so, dass es knirschte.
„NIE WIEDER lasse ich so etwas zu. NIEMAND wird mehr darüber entscheiden, was ich zu tun habe, NIEMALS WIEDER lasse ich mich zum Werkzeug von irgendjemanden machen, WEDER VON DIR, VATER, noch von irgendjemand anderem“, fauchte Eleeya.
„Wie hast du so passend gesagt? ICH habe dies alleine zu entscheiden, und ich schwöre euch allen: Genau das werde ich auch tun. Und ich pfeife auf euere Vorgaben über das Wohl des Universums und den ganzen Mist!“
Eleeya hielt ihre geballten Fäuste vor ihrem Gesicht.
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