Azraels Auftrag (German Edition)
gepeitscht wurden. Der Orkan hatte mittlerweile seinen Höhepunkt erreicht und fegte mit über einhundertdreißig km/h über den Rand der Klippe hinweg. Mika unterbrach seine Wanderung.
Seine Gedanken verweilten bei seinen verlorenen Freunden. Ich hasse Regen! hörte er erneut eine Stimme. Aufs Neue sah er das Gesicht des schwarzhaarigen Spaniers vor sich. Natürlich vermisste er ihn sehr. Und er vermisste Eleeya.
Seit dem Absturz waren bisher nahezu 28 Stunden vergangen. Am Anfang dachte Mika, dass seine kurzen, tagtraumartigen Visionen von Carlos auf den immensen Stress und Schock zurückzuführen waren. Doch anstelle besser zu werden verschlimmerte sich dieser Zustand. Mittlerweile vergingen keine zwanzig Minuten, und erneut hörte er irgendwelche zusammenhanglose Sätze von Carlos, die er irgendwann einmal in der Vergangenheit mit ihm gewechselt hatte.
„Wenn das so weitergeht, drehe ich noch durch“, dachte Mika.
Ja, das weiß hier jeder , war in seinen Gedanken eine Stimme zu hören.
Mika betrachtete erneut die Karte. Vor ihm lag ein weiterer Graben, wahrscheinlich der Letzte, um in das üppige Flachland zu kommen. Seine Vorräte waren längst aufgebraucht, und in dieser Höhe, in der immer noch Schnee lag, wuchs nichts Essbares. Mikas Magen begann erneut zu knurren und machte ihn darauf aufmerksam, dass er vor über vierzehn Stunden das letzte Mal etwas erhalten hatte.
Wie kannst du in so einer Situation nur ans Essen denken? vernahm er in seinen Gedanken. Mika atmete tief ein. Er setzte sich so gut es ging in eine Art Schneidersitz und versuchte eine Meditationsübung zu wiederholen, wie sie ihm Eleeya vor einiger Zeit beigebracht hatte. Ein Schmunzeln huschte über Mikas Gesicht. Nun, zumindest hatte es Eleeya versucht.
Also, wie war das noch mal? Tief einatmen – und ausatmen. Ein – und aus! Er musste irgendwie auf andere Gedanken kommen. Vielleicht werde ich ja auch einfach nur schizophren, dachte Mika. Anderseits würde es auch vieles einfacher machen.
Für uns beide! vernahm er.
Mika presste die Zähne zusammen.
EINATMEN – UND AUSATMEN!
„Alles wird gut werden! Wie hat Eleeya gesagt? Die Gedanken ausschalten. Ja, das war es, was er im Moment brauchte! Also, einfach ausschalten“, dachte Mika. „Im Prinzip ja ganz einfach. Einfach nur zählen – nicht denken. Wenn man bemerkt, dass einen die Gedanken weiter tragen, einfach wieder von vorne zu zählen anfangen. Also: eins, zwei, drei,... so ein Blödsinn, warum mache ich das überhaupt...“
„Mist! Schon wieder! Also, von vorne.“
„Eins, zwei, drei, vier, wie lange ich wohl zählen muss...”
„Eins, zwei, drei,... vielleicht zähle ich auch zu schnell“
„VERDAMMT!“
„Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben... acht... elf... zweiundzwanzig... super – ich meditiere. Na also, es geht doch. Alles nur eine Frage der Konzentration. Erst neulich hatten sie doch so etwas im Fernseher gezeigt. War das bei Wieso oder irgendwas anderes auf Discovery? Egal! Aber eigentlich ist das Programm dort auch nicht mehr das, was es mal war. Kino war da eindeutig besser. Oder aber meine Heimanlage, die hatte immerhin...!”
Mika erkannte nicht, wie sehr sich seine Gedanken schon wieder selbständig gemacht hatten.
Mika, wir müssen los!
Mika zuckte zusammen, als er erkannte, dass ihn die Stimme in seiner Meditation gestört hatte.
Auf, Amigo. Wir treffen uns am Hangar! Wer zuletzt ankommt, zahlt die nächste Dönerrunde.
Mika presste die Kiefer zusammen und versuchte einfach, wortlos weiterzuzählen
Drängender als je zuvor erschien die Stimme.
Eleeya..., Mika? Wo seid ihr? Hört mich jemand?
Mika, wir müssen los.
Mika lauschte auf das Prasseln des Regens und versuchte die Worte zu überhören.
Mika, wir müssen los. Auf, Amigo! Müssen los!
„Ich halt das nicht mehr aus“, schrie Mika. „Himmel noch mal ich werde wahnsinnig! Ist es das, was ihr wollt?“
Auf, Amigo, wir müssen los!
Wütend sprang Mika auf.
„ES REICHT! ICH WERDE WAHNSINNIG! Ja, warum auch nicht!“ tobte er. „Was soll’s dann schon. Dann rutsche ich eben in den Graben, weil der Sturm mich mitschleudert. Ist doch eh’ alles besser als das hier!“
Mit großen Schritten stapfte Mika in Richtung des Felsgrabens davon und kickte fluchend einen Steinbrocken zur Seite.
Doch mit einem Schlag hatte er das Gefühl, inmitten eines Feuerballs zu stehen. Im selben Moment setzte ein ohrenbetäubendes Krachen ein und Mika wurde mehrere Meter durch die
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