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sie über 14 Prozent höhere Gewinne ein als die Extravertierten.
In der zweiten Studie teilten Grant und seine Kollegen 163 College-Studenten in konkurrierende Teams zu je fünf Personen mit jeweils einem Teamleiter auf, die den Auftrag bekamen, in zehn Minuten so viele T-Shirts wie möglich zu falten. Die Teilnehmer wussten nicht, dass jedes Team mit zwei Schauspielern besetzt war. In einigen Teams verhielten sich die beiden Schauspieler passiv und befolgten die Anweisungen des Teamleiters. In anderen Teams sagte einer der Schauspieler: »Ich frage mich, ob es keine effektivere Methode gibt.« Der andere Schauspieler erzählte dann, er habe einen japanischen Freund, der T-Shirts schneller falten könnte. »Es dauert ein oder zwei Minuten, es euch beizubringen«, sagte der Schauspieler zum Teamleiter. »Wollen wir es nicht ausprobieren?«
Die Ergebnisse waren beeindruckend. Die introvertierten Teamleiter folgten dem Vorschlag mit einer 20 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit – und die Ergebnisse ihrer Teams waren um 24 Prozent besser als jene der Teams der extravertierten Führungskräfte. Wenn die Gruppenmitglieder allerdings einfach nur die Vorgaben des Teamleiters umsetzten, ohne eigene Methoden vorzuschlagen, schnitten die von Extravertierten geleiteten Teams um 22 Prozent besser ab als die von Introvertierten geleiteten Teams.
Warum hing die Effizienz der Teamleiter davon ab, ob ihre Mitarbeiter passiv waren oder die Initiative ergriffen? Grant zufolge ist es nachvollziehbar, dass Introvertierte besonders gut darin sind, Menschen zu führen, die die Initiative ergreifen. Aufgrund ihrer Neigung zum Zuhören und ihres fehlenden Interesses an sozialer Dominanz hören sich Introvertierte eher die Vorschläge ihrer Mitarbeiter an und setzen sie um. Wenn sie von den Talenten dieser Mitarbeiter profitieren, motivieren sie sie, noch mehr Initiative zu ergreifen. Introvertierte Führungskräfte setzen also einen positiven Kreislauf der Eigeninitiative in Gang. Im T-Shirt-Experiment gaben die Teammitglieder an, dass sie die introvertierten Führungskräfte als offener und empfänglicher für ihre Ideen wahrnahmen – was sie motivierte, mehr zu arbeiten und mehr T-Shirts zu falten.
Extravertierte können sich hingegen dermaßen darauf versteifen, den Abläufen ihren Stempel aufzudrücken, dass sie Gefahr laufen, die guten Ideen anderer nicht zur Kenntnis zu nehmen und die Mitarbeiter in die Passivität zu treiben. »Oft reden die Führungskräfte letztlich sehr viel und hören nicht auf die Vorschläge ihrer Mitarbeiter«, sagt Professor Gino. 13 Mit ihrer natürlichen Fähigkeit, andere mitzureißen, holen sie jedoch bei passiveren Mitarbeitern bessere Ergebnisse heraus.
Dieser Forschungszweig steckt noch in den Kinderschuhen. Aber unter der Leitung von Grant – der selbst gern die Initiative ergreift – wird er sich möglicherweise rasch entwickeln. (Einer seiner Kollegen hat Grant als die Art Mensch beschrieben, der »Dinge zuwege bringt 28 Minuten, bevor sie laut Plan beginnen sollen«.) Grant freut sich über die Implikationen dieser Ergebnisse besonders, weil selbstständige Mitarbeiter, die in einer schnelllebigen Geschäftswelt rund um die Uhr Chancen wahrnehmen, ohne auf die Vorgaben einer Führungskraft zu warten, für den Unternehmenserfolg immer wichtiger werden. Das Wissen, wie man den Einsatz dieser Mitarbeiter maximieren kann, ist ein wichtiges Instrument für Führungskräfte. Und das gilt auch für Firmen generell: Sie sollten in Betracht ziehen, Leute, die zuhören können, ebenso auf Führungsrollen vorzubereiten wie Leute, die gern reden.
Die Massenpresse wartet laut Grant mit Ratschlägen auf, die besagen, dass introvertierte Führungskräfte ihre rhetorischen Fähigkeiten stärken und mehr lächeln sollten. Aber Grants Untersuchungen belegen, dass zumindest in einer wichtigen Hinsicht – der Ermunterung der Mitarbeiter, die Initiative zu ergreifen – die introvertierten Führungskräfte so weitermachen sollten, wie es ihrem Wesen entspricht. Extravertierte Führungskräfte könnten sich dagegen »einen zurückhaltenderen, ruhigeren Stil angewöhnen«, schreibt Grant. Sie sollten lernen, sich zu setzen, damit andere aufstehen können.
Die Frage, wann man sitzen bleiben und wann man aufstehen soll, bringt uns zurück zu der Frau, die wir im ersten Kapitel kennengelernt haben.
Schon jahrelang vor jenem Tag im Dezember 1955, als Rosa Parks sich in Montgomery weigerte, ihren
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