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für Management Bradley Agle bei den Geschäftsführern von 128 größeren Firmen durchführte. Danach bezogen die Firmenchefs, die von ihren leitenden Angestellten für charismatisch gehalten wurden, zwar größere Gehälter, erwirtschafteten aber keine besseren Ergebnisse. 10
Wir neigen dazu, dramatisch zu überschätzen, wie extravertiert Führungspersönlichkeiten sein müssen. »Führung findet in Unternehmen meistens in kleinen Konferenzen oder auf Distanz statt – schriftlich und über Videokommunikation«, sagte mir Professor Mills. »Führung findet nicht in großen Gruppen statt. Ein wenig muss man auch das beherrschen. Man kann kein Unternehmen führen, wenn man beim Betreten eines Raums voller Analysten und Experten bleich vor Angst wird und das Weite sucht. Aber das sind eher Ausnahmesituationen. Ich kenne viele Unternehmenschefs, die hochgradig introspektiv sind und sich zusammenreißen müssen, um öffentlich aufzutreten.«
Als Beispiel erwähnt Mills Lou Gerstner, den legendären Vorstandschef von IBM. »Er hat hier studiert«, sagt er. »Ich weiß nicht, wie er sich selbst charakterisieren würde. Er muss große Reden halten, und das tut er und wirkt dabei ruhig. Ich habe allerdings das Gefühl, dass er sich in kleinen Gruppen weitaus wohler fühlt. Das trifft übrigens auf viele dieser Leute zu. Nicht auf alle, aber auf ziemlich viele.«
Tatsächlich wurden laut einer berühmten, von dem einflussreichen Managementtheoretiker Jim Collins durchgeführten Untersuchung viele der erfolgreichsten Unternehmen am Ende des 20. Jahrhunderts von Menschen geführt, die er »Führungskräfte der fünften Ebene« nennt. Diese außergewöhnlichen Firmenchefs waren nicht für ihr blendendes oder charismatisches Auftreten bekannt, sondern für ihre ausnehmende Bescheidenheit, gepaart mit großer beruflicher Willenskraft. In seinem einflussreichen Buch Good to Great erzählt Collins die Geschichte von Darwin Smith, der in seinen zwanzig Jahren als Boss von Kimberly-Clark die Firma zum weltweit führenden Papierunternehmen machte und Kursgewinne erwirtschaftete, die viermal höher waren als der Marktdurchschnitt. 11
Smith war ein schüchterner, freundlicher Mann, der Anzüge von der Stange und schwarze Metallbrillen nach Art eines Strebers trug und in den Ferien allein auf seiner Farm in Wisconsin herumwerkelte. Als ihn ein Journalist bat, seinen Managementstil zu beschreiben, starrte ihn Smith unangenehm lange an und antwortete dann mit nur einem Wort: »Exzentrisch.« Aber hinter seinem sanften Auftreten verbarg sich eine unerschütterliche Entschlossenheit. Kurz nachdem ihm die Geschicke der Firma anvertraut worden waren, traf er die drastische Entscheidung, die Papiermühlen zu verkaufen, in denen das gestrichene Papier hergestellt wurde, das das Kerngeschäft der Firma bildete, und stattdessen in andere Geschäftsfelder zu investieren, die er für gewinn- und zukunftsträchtiger hielt. Alle sagten, das sei ein Riesenfehler, und Wall Street stufte die Kimberly-Clark-Aktien herab. Smith ließ sich jedoch nicht beirren und tat, was in seinen Augen richtig war. Das Unternehmen wuchs und überholte schon bald seine Konkurrenten. Als man ihn später zu seiner Strategie befragte, antwortete Smith, er habe nie mit dem Bemühen aufgehört, sich für den Job zu qualifizieren.
Collins hatte eigentlich nicht vorgehabt, introvertierte Führungsqualitäten hervorzuheben. Als er anfing zu forschen, wollte er nur wissen, wo die Gründe dafür lagen, dass ein Unternehmen seine Konkurrenten überflügelte. Er wählte elf herausragende Firmen aus, die er gründlich untersuchte. Anfangs ignorierte er die Frage nach der Führung vollkommen, weil er grob vereinfachende Antworten vermeiden wollte. Doch als er analysierte, was die erfolgreichsten Unternehmen miteinander gemein hatten, sprang ihm das Wesen der Firmenchefs ins Auge: Jedes wurde von einem bescheidenen Mann wie Darwin Smith geleitet. Wer mit diesen Führungskräften zu tun hatte, beschrieb sie meistens mit Adjektiven wie: »still«, »einfach«, »bescheiden«, »reserviert«, »scheu«, »liebenswürdig«, »freundlich«, »zurückhaltend« und »unaufdringlich«.
Das Fazit ist klar, sagt Collins. Wir brauchen keine großspurigen Persönlichkeiten, um eine Firma zum Erfolg zu führen. Wir brauchen Führungskräfte, die nicht ihr Ego entfalten, sondern die Firma, die sie leiten.
Was machen introvertierte Führungskräfte anders – und manchmal besser – als
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