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extravertierte? Eine erhellende Antwort liefern die Arbeiten des Management-Professors Adam Grant von der Wharton Business School, der über einen beträchtlichen Zeitraum die Manager einiger der 500 umsatzstärksten Firmen der Welt sowie Offiziere coachte und beriet – von Google bis hin zu den amerikanischen Streitkräften, darunter der Navy. Bei unserer ersten Unterhaltung lehrte Grant an der Ross School of Business, einem Teil der Universität von Michigan, wo er zur Überzeugung kam, dass die bisherige Forschung, die von einem Zusammenhang zwischen Extraversion und Führungsqualitäten ausging, nicht das ganze Bild erfasste.
Grant erzählte mir von einem Staffelkommandanten der amerikanischen Luftwaffe – im Rang direkt unter einem General stehend, Befehlshaber über Tausende von Soldaten und damit betraut, eine Hochsicherheitsraketenbasis zu schützen –, der ein klassischer Fall von Introversion und zugleich einer der besten Führungsoffiziere war, die Grant je begegnet waren. Dieser Mann wurde nervös, wenn er zu viel mit anderen Menschen zu tun hatte. Deshalb nahm er sich Zeit zum Überlegen und Regenerieren. Er sprach ruhig, ohne allzu große Veränderungen in der Stimme oder der Mimik. Er war interessierter daran, zuzuhören und Informationen zu sammeln, als seine Meinung durchzusetzen oder ein Gespräch zu dominieren.
Und doch wurde er weithin bewundert. Wenn er redete, hörten alle zu. Das war an sich nichts Besonderes. Wenn man an der Spitze der militärischen Hierarchie steht, haben die Leute zuzuhören. Aber im Falle dieses Befehlshabers, so Grant, achteten die Menschen nicht nur seine formelle Autorität, sondern auch seinen Führungsstil: Er unterstützte die Eigeninitiative seiner Leute. Er ließ Untergebene an Schlüsselentscheidungen teilhaben und setzte die Vorschläge um, die sinnvoll waren, während er zugleich deutlich machte, dass die letzte Entscheidung bei ihm lag. Er interessierte sich nicht dafür, Anerkennung einzuheimsen oder das Sagen zu haben; er gab die Arbeit einfach denen, die am geeignetsten dafür waren. Das bedeutete für ihn, einige seiner interessantesten, bedeutsamsten und wichtigsten Aufgaben zu delegieren – Aufgaben, die andere Führungskräfte sich selbst vorbehalten hätten.
Warum schlagen sich in der Forschung Talente von Menschen wie diesem Staffelkommandanten selten nieder? Grant glaubte, das Problem zu kennen. Als er die bereits bestehenden Untersuchungen über Persönlichkeit und Führungsstil unter die Lupe nahm, entdeckte er zum einen, dass die Korrelation zwischen Extraversion und effizientem Führungsstil gering war. Zweitens beruhten diese Studien oft auf der Vorstellung von Menschen darüber, wer gute Führungsqualitäten besaß, statt auf den eigentlichen Fakten. Und persönliche Meinungen spiegeln oft einfach den gesellschaftlichen Trend.
Aber was Grant am meisten verblüffte, war, dass die bestehende Forschung nicht zwischen den unterschiedlichen Situationen differenzierte, mit denen es eine Führungskraft zu tun haben kann. Möglicherweise eigneten sich bestimmte Unternehmen oder Zusammenhänge besser für einen introvertierten und andere für einen extravertierten Führungsstil, so seine Überlegung, aber in den Untersuchungen wurden solche Differenzierungen nicht vorgenommen.
Grant hatte eine Theorie darüber, wann ein introvertierter Führungsstil angebrachter war. Seine Hypothese lautete, dass extravertierte Führungskräfte die Gruppenleistung verbessern, wenn die Angestellten zur Passivität neigen, während introvertierte Führungskräfte effizienter sind bei Angestellten, die Eigeninitiative zeigen. Um seine Theorie zu überprüfen, führte er zusammen mit zwei Kollegen, Professor Francesca Gino von der Harvard Business School und David Hofman von der Kenan-Flagler Business School der Universität von North Carolina, zwei Untersuchungen durch.
Bei der ersten Untersuchung analysierten Grant und seine Kollegen die Daten einer der fünf größten Pizzeria-Ketten in den USA. Sie entdeckten, dass die Lokale, die von Extravertierten geführt wurden, 16 Prozent höhere Gewinne in der Woche erwirtschafteten als die von Introvertierten geführten – aber nur, wenn die Mitarbeiter passive Typen waren, die ihre Arbeit erledigten, ohne Eigeninitiative zu zeigen . 12 Introvertierte Führungskräfte hatten die genau entgegengesetzten Ergebnisse. Wenn sie Mitarbeiter beschäftigten, die aktiv versuchten, die Arbeitsabläufe zu verbessern, fuhren
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