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Sitzplatz in einem Bus aufzugeben, arbeitete sie hinter den Kulissen für die NAACP, den nationalen Verband zur Förderung der Farbigen, und erhielt sogar eine Schulung in gewaltlosem Widerstand. Viele Dinge hatten zu ihrem politischen Engagement geführt: die Zeit ihrer Kindheit, in der der Ku-Klux-Klan vor ihrem Elternhaus vorbeimarschierte; die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als ihr Bruder, der als Gefreiter in der amerikanischen Armee das Leben weißer Soldaten gerettet hatte, aus dem Krieg zurückkehrte und nur angespuckt wurde; die Zeit, als man einem schwarzen 18-jährigen Botenjungen eine Vergewaltigung anhängte und ihn auf den elektrischen Stuhl schickte. Parks verwaltete die NAACP-Protokolle, fungierte als Kassenführerin und las kleinen Kindern in ihrem Viertel vor. Sie war fleißig und ehrbar, aber niemand hielt sie für eine Anführerin. Sie gehörte eher zum Fußvolk – zumindest sah es danach aus.
Nicht viele Menschen wissen, dass sie zwölf Jahre vor der Machtprobe mit dem Busfahrer in Montgomery schon einmal einen Zusammenstoß mit demselben Mann gehabt hatte, vermutlich im gleichen Bus. Es war ein Novembernachmittag im Jahre 1943, und Parks war durch die Vordertür des Busses eingestiegen, weil hinten zu viel Andrang herrschte. Der Fahrer, ein bekannter Fanatiker namens James Blake, forderte sie auf, hinten einzusteigen, und begann, sie aus dem Bus zu schubsen. Parks verbat sich, angefasst zu werden. Sie würde von selbst aussteigen, sagte sie ruhig. »Raus aus meinem Bus«, stieß er als Antwort hervor.
Parks fügte sich, aber nicht ohne vorher absichtlich ihr Portemonnaie fallen zu lassen und sich auf einen »weißen« Platz zu setzen, während sie das Geld aufsammelte. »Intuitiv hatte sie einen Akt passiven Widerstands geleistet, eine Verhaltensmaxime, die ihren Namen von Leo Tolstoi bekam und von Mahatma Gandhi übernommen wurde«, schreibt der Historiker Douglas Brinkley in seiner wunderbaren Biografie über Parks. Das geschah über ein Jahrzehnt, bevor King die Idee der Gewaltlosigkeit populär machte und lange vor ihrer Schulung in zivilem Ungehorsam. Doch, wie Brinkley schreibt, »passten solche Prinzipien perfekt zu ihrer Persönlichkeit«.
Parks war so angewidert von Blake, dass sie es in den folgenden zwölf Jahren ablehnte, in seinen Bus zu steigen. Eines Tages tat sie es schließlich doch, an dem Tag, der sie zur »Mutter der Bürgerrechtsbewegung« machte. Es geschah Brinkley zufolge aus schierer Zerstreutheit.
Parks Verhalten an diesem Tag war tapfer und einzigartig, aber erst danach kam ihre stille Kraft wirklich zum Tragen. Lokale Anführer der Bürgerrechtsbewegung suchten sie auf und bedrängten sie, als Testperson gegen das Rassentrennungsgesetz in den städtischen Bussen zu klagen und einen Musterprozess zu führen. Das war keine einfache Entscheidung. Parks hatte eine kränkliche Mutter, die von ihr abhängig war. Vor Gericht zu ziehen hieß, dass sie und ihr Mann ihre Arbeit verlieren würden. Es hieß, das ganz handfeste Risiko einzugehen, »vom höchsten Telefonmast in der Stadt« zu baumeln, wie es ihr Mann und ihre Mutter ausdrückten.
»Rosa, die Weißen werden dich umbringen«, wandte ihr Mann flehentlich ein. »Es war eine Sache, wegen eines einzelnen Vorkommnisses im Bus verhaftet zu werden«, schreibt Brinkley. »Es war etwas ganz anderes …, die verbotene Zone noch einmal bewusst zu betreten.«
Aber aufgrund ihres Wesens war Parks die perfekte Klägerin. Sie war nicht nur eine hingebungsvolle Christin und eine aufrechte Staatsbürgerin, sie war auch sanft. »Diesmal haben sie sich mit der Falschen angelegt!«, erklärten die Bus-Boykotteure, während sie kilometerweit zu Fuß zur Arbeit und zur Schule gingen. Dieser Satz wurde zur Parole, deren Macht in ihrer Widersprüchlichkeit lag. Gewöhnlich drückt ein solcher Satz aus, dass man den Kampf mit einer lokalen Größe, einem übermächtigen Gegner, aufgenommen hat. Aber es war Parks stille Kraft, die sie unanfechtbar machte. »Der Slogan diente als Erinnerung daran, dass die Frau, die den Boykott inspiriert hatte, eine Art leise Märtyrerin war, die von Gott nicht im Stich gelassen werden würde«, schreibt Brinkley.
Parks nahm sich Zeit für ihre Entscheidung, aber schließlich stimmte sie einer Klage zu. Sie kam auch zu einer Versammlung, die am Abend ihrer Verurteilung abgehalten wurde, als der junge Martin Luther King, Oberhaupt der neu gegründeten »Montgomery Improvement Association«, die
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