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B00B5B7E02 EBOK

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Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
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Entscheidungen in Verbindung stehenden präfrontalen Kortex aufweisen. Das heißt, die Aufnahmen vom Gehirn würden zeigen, dass die Versuchspersonen sich bewusst entschieden, ihre eigenen Überzeugungen aufzugeben, um sich der Gruppe anzupassen. Doch sollten die Hirnaufnahmen erhöhte Aktivität in Arealen zeigen, die mit visueller und räumlicher Wahrnehmung zu tun haben, war das ein Hinweis darauf, dass es der Gruppe irgendwie gelungen war, die Wahrnehmungen des Individuums zu verändern.
    Und genau das stellte sich heraus. Die Konformisten zeigten weniger Hirnaktivität in den Frontalregionen, in denen Entscheidungen fallen, und mehr Aktivität in den Hirnarealen, die mit Wahrnehmung in Verbindung stehen. Gruppendruck ist mit anderen Worten nicht nur unangenehm, er kann sogar unsere Wahrnehmung von einer Situation verändern.
    Diese Ergebnisse (die noch durch weitere Untersuchungen bestätigt werden müssen) lassen vermuten, dass Gruppen wie bewusstseinsverändernde Substanzen wirken. Wenn die Gruppe glaubt, dass die richtige Antwort »A« lautet, werden auch Sie eher glauben, dass A richtig ist. Es ist nicht so, dass Sie sich bewusst sagen: »Ich bin mir nicht sicher, aber da alle glauben, dass die Antwort A lautet, schließe ich mich an.« Sie sagen sich auch nicht: »Ich will, dass die anderen mich mögen, deshalb werde ich einfach so tun, als sei die Antwort A.« Nein, Sie tun etwas viel Unerwarteteres – und Gefährlicheres. Die meisten von Berns Versuchspersonen berichteten, sie hätten sich der Meinung der Gruppe angeschlossen, weil »sie glaubten, sie seien zufällig zur selben korrekten Antwort gekommen«. Sie waren völlig blind dafür, wie sehr die anderen sie beeinflusst hatten.
    Was hat das mit sozialer Angst zu tun? Wie schon erwähnt, gingen die Versuchspersonen in Aschs und Berns’ Studien nicht immer mit der Gruppe konform. Manchmal entschieden sie sich auch für die richtige Antwort trotz des Einflusses der Gruppe. Berns und sein Team fanden etwas sehr Beunruhigendes in Bezug auf diese Entscheidungen heraus. Sie gingen mit einer erhöhten Aktivität des Mandelkerns einher, der, wie wir wissen, mit aufregenden Emotionen – wie der Angst vor Ablehnung – in Verbindung steht.
    Berns nennt dies »den Schmerz der Unabhängigkeit«, der ernste Implikationen hat. Viele unserer wichtigsten staatsbürgerlichen Institutionen, von Wahlen über Schwurgerichtsverfahren bis hin zur Idee der demokratischen Mehrheitsherrschaft an sich, sind davon abhängig, dass es Andersdenkende gibt. Aber wenn die Gruppe buchstäblich unsere Wahrnehmungen verändern kann und allein dazustehen heißt, primitive, mächtige und unbewusste Gefühle des Abgelehntwerdens heraufzubeschwören, dann scheint das gesunde Funktionieren dieser Institutionen viel prekärer zu sein, als wir je gedacht haben.
     
    Natürlich habe ich die Argumente gegen Zusammenarbeit vereinfacht. Direkte Zusammenarbeit, wie etwa die der Gebrüder Wright, der Nobelpreisträger Watson und Crick oder der Beatles Lennon und McCartney, hat großen Wert und große Schönheit. Jede Paarbindung zwischen Mutter und Vater, Eltern und Kind oder zwischen Liebenden ist ein Akt der schöpferischen Zusammenarbeit. Studien zeigen, dass Beziehungen von Mensch zu Mensch auf eine Weise Vertrauen herstellen, wie elektronische Interaktionen es nicht können. Die Forschung belegt auch, dass die Bevölkerungsdichte mit Innovation zusammenhängt. Trotz der Vorteile eines ruhigen Waldspaziergangs profitieren Menschen in Großstädten vom Netz der Interaktionen, das das städtische Leben anbietet.
    Ich habe dieses Phänomen am eigenen Leibe erlebt. Als ich begann, dieses Buch zu schreiben, richtete ich mir zu Hause ein wunderbares Arbeitszimmer mit einem aufgeräumten Schreibtisch, Aktenschränken, freien Ablageplätzen und viel natürlichem Licht ein – und dann fühlte ich mich zu abgeschnitten von der Welt, um auch nur eine einzige Zeile zu schreiben. Stattdessen verfasste ich einen Großteil dieses Buches auf einem Laptop im überfüllten Lieblingscafé meines Stadtviertels. Ich tat das exakt aus den Gründen, die Verfechter des neuen Gruppendenkens anführen würden: Die bloße Nähe anderer Menschen verhalf mir zu Einfällen. Im Café saßen lauter Leute über ihre Computer gebeugt, und wenn man den Ausdruck andächtiger Konzentration auf den Gesichtern als Hinweis werten will, war ich nicht die Einzige, die fleißig arbeitete.
    Das Café eignete sich als mein Büro,

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