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zählten Dunnette und sein Team die Ideen und verglichen die Einfälle, die von den Gruppen produziert worden waren, mit denjenigen, die die Teilnehmer in Einzelarbeit entwickelt hatten. Um Gleiches neben Gleiches zu stellen, warf Dunnette die Ideen, die jeder einzelne Teilnehmer allein entwickelt hatte, mit denen der drei anderen Teilnehmer zusammen, so als ob sie »nominell« in einer Vierergruppe gearbeitet hätten. Die Psychologen bewerteten auch die Qualität der Einfälle, indem sie sie auf einer »Wahrscheinlichkeitsskala« mit 0 bis 4 Punkten einstuften.
Die Resultate waren eindeutig. In 23 der 24 Gruppen produzierten die Teilnehmer mehr Ideen in Einzelarbeit, als sie in der Gruppe produziert hatten. In Alleinarbeit produzierten die Männer auch Einfälle von gleicher oder höherer Qualität als das, was in den Gruppen produziert worden war. Und die extravertierten Werbeleute schnitten bei der Gruppenarbeit nicht besser ab als die vermutlich introvertierteren Wissenschaftler.
Seither ist die Forschung in über vierzig Jahren immer wieder zu dem gleichen verblüffenden Resultat gekommen. Studien zeigen, dass die Leistung mit steigender Gruppengröße abnimmt: Gruppen von neun Teilnehmern bringen weniger und schlechtere Ideen hervor als Gruppen von sechs Teilnehmern, die ihrerseits schlechter abschneiden als Vierergruppen. Die »wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass Firmen verrückt sein müssen, wenn sie Brainstorming in Gruppen machen lassen«, schreibt der Organisationspsychologe Adrian Furnham. »Falls Sie über talentierte und motivierte Mitarbeiter verfügen, sollten diese ermuntert werden, allein zu arbeiten, wenn Kreativität und Effizienz an erster Stelle stehen.« 28
Die einzige Ausnahme ist Online-Brainstorming. Wie die Forschung zeigt, schneiden Gruppen, die elektronisches Brainstorming unter richtiger Anleitung machen, nicht nur besser ab als Individuen; ihre Leistung steigt sogar mit der Gruppengröße an, was das genaue Gegenteil von dem ist, was beim Brainstorming in realen Echtzeit-Gruppen passiert. Das gilt im Übrigen auch für die wissenschaftliche Forschung – Professoren, die von verschiedenen Arbeitsplätzen aus auf elektronischem Wege zusammenarbeiten, produzieren bedeutendere Forschungsergebnisse als solche, die entweder allein oder in realen Gruppen zusammenarbeiten.
Das sollte uns nicht überraschen. Wie wir am Anfang dieses Kapitels gesehen haben, war es die seltsame Macht der elektronischen Zusammenarbeit, die überhaupt zum neuen Gruppendenken beitrug. Wie sind Linux oder Wikipedia entstanden, wenn nicht durch elektronisches Brainstorming riesigen Ausmaßes? Aber wir sind so beeindruckt von der Macht der Online-Zusammenarbeit, dass wir nun sämtliche Gruppenarbeit auf Kosten des Denkens Einzelner überbewerten. Und wir gehen davon aus, dass der Erfolg der Online-Zusammenarbeit sich auf persönliche Interaktion übertragen lässt.
Nach all diesen Jahren, die belegen, dass konventionelles Brainstorming in Gruppen nicht funktioniert, ist es dennoch so populär wie eh und je. Teilnehmer von Brainstorming-Sitzungen glauben gewöhnlich, dass ihre Gruppe viel produktiver war, als es tatsächlich der Fall ist, was einen guten Grund für ihre anhaltende Beliebtheit liefert – Menschen fühlen sich durch Brainstorming sozial eingebunden. Ein wertvolles Ziel – solange uns klar ist, dass sozialer Zusammenhalt und nicht Kreativität der Hauptnutzen ist.
Psychologen haben gewöhnlich drei Erklärungen für das Versagen von Brainstorming in der Gruppe: erstens die soziale Faulenzerei: In einer Gruppe lehnen sich die Einzelnen eher zurück und lassen andere die Arbeit machen. Zweitens die Produktionsblockade: Nur jeweils eine Person kann sprechen oder eine Idee produzieren, während die anderen Gruppenmitglieder so lange gezwungen sind, passiv herumzusitzen. Drittens die Bewertungsangst , also die Angst, vor Gleichrangigen dumm dazustehen.
Osborns Brainstorming-Regeln sollten dieser Angst entgegenwirken, aber Studien zeigen, dass die Angst, sich vor anderen zu blamieren, uns alle verfolgt, auch wenn sie bei Introvertierten deutlicher ausgeprägt ist als bei Extravertierten. Während der Basketball-Saison 1988-89 beispielsweise trugen zwei studentische Basketballmannschaften elf Spiele ohne Zuschauer aus, nachdem der Ausbruch einer Masernepidemie dafür gesorgt hatte, dass die Colleges alle Studenten unter Quarantäne stellten. Beide Teams spielten viel besser ohne die
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