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der Berechnung zu liegen scheint. In diesem Buch ist das Problem der Wahrscheinlichkeit weitgehend eine Frage des Wissens, nicht der Berechnung. Meiner Ansicht nach sind diese Berechnungen lediglich eine Fußnote zum Thema. Problematisch sind vielmehr folgende Fragen: Wo leiten wir die Wahrscheinlichkeit ab? Wie ändern wir unsere Überzeugungen? Ich habe an dem Problem gearbeitet, das beim »Spielen mit den falschen Würfeln« entsteht: Es ist weitaus wichtiger herauszufinden, welche Würfel wir beim Spielen benutzen, als ausgeklügelte Ergebnisberechnungen durchzuführen und Gefahr zu laufen, einen Würfel zu erwischen, der beispielsweise lauter Sechser enthält. So verwenden wir etwa in den Wirtschaftswissenschaften sehr umfangreiche Risikoberechnungsmodelle, die auf recht wackeligen Annahmen beruhen (faktisch sind diese Prämissen nicht nur zweifelhaft, sondern einfach falsch). Sie sind voll gepackt mit Mathematik, aber alles andere ist verkehrt. Die richtigen Annahmen können mehr zählen als ein anspruchsvolles Modell.
Ein interessantes Problem ist der so genannte »Value-at-Risk«. Hier bilden sich Menschen ein, sie könnten Risiko mit Hilfe von »komplizierter Mathematik« verstehen und seltene Ereignisse prognostizieren – im Glauben, sie könnten die Wahrscheinlichkeitsverteilung aus historischen Daten beobachten. Der aus Verhaltenssicht interessanteste Aspekt ist die Tatsache, dass die Befürworter dieses Ansatzes die Erfolgsbilanz ihrer früheren Prognosen nicht überprüft haben – ein weiteres Problem à la Meehl.
Denker und Philosophen der Wahrscheinlichkeit: Das wohl scharfsinnigste Buch, das jemals zu diesem Thema geschrieben wurde, ist nach wie vor das großartige Treatise on Probability von John Maynard Keynes (Keynes, 1989, 1920). Überraschenderweise ist diese Abhandlung immer noch topaktuell – alles, was wir zu entdecken scheinen, wurde darin offenbar bereits vorweggenommen (wenngleich, wie stets bei Keynes, in gewundenen Formulierungen). In den üblichen Listen zu Wahrscheinlichkeitsphilosophien fehlt unverdientermaßen häufig Shackle, der das Konzept der subjektiven Wahrscheinlichkeit detaillierter herausarbeitete (Shackle, 1973). Die meisten Autoren versäumen es auch, die relevanten Beiträge von Isaac Levi zur subjektiven Wahrscheinlichkeit und ihre Verbindungen zum Glauben (Levi, 1970) zu nennen, die in diesem Bereich zur Pflichtlektüre gehören sollten (das Buch ist schwer verständlich, doch lohnt sich die Mühe). Das ist bedauerlich, denn Isaac Levi ist ein Wahrscheinlichkeits philosoph (im Gegensatz zu den Wahrscheinlichkeits berechnern ). Der Wahrscheinlichkeitsepistemologe Henry Kyburg (Kyburg, 1983) fehlt ebenfalls (seine Lektüre ist zu schwierig).
Im Gegensatz zu Wissenschaftlern scheinen Philosophen häufig auf sehr heterogene und streng abgegrenzte Vorgehensweisen zu setzen: Wahrscheinlichkeit in der Philosophie wird von unterschiedlichen Fachrichtungen abgedeckt: Logik, Epistemologie, rationale Entscheidung, Mathematikphilosophie, Wissenschaftsphilosophie. Überraschenderweise hielt Nicholas Rescher eine sehr scharfsinnige Präsidialansprache bei der American Philosophical Association zum Thema Glück (die später als Buch mit dem Titel Glück veröffentlich wurde, vgl. Rescher, 1995), ohne viele der Probleme zu erörtern, die in der philosophischen und kognitiven Literatur zur Wahrscheinlichkeit behandelt werden.
Problem mit meiner Botschaft: Vielen Lesern in technischen Berufen wie Ingenieurwissenschaften fiel es einigermaßen schwer, die Verbindung zwischen Wahrscheinlichkeit und Glauben und der Bedeutung des Skeptizismus im Risikomanagement zu sehen.
Kapitel 14
Stoizismus: Moderne Diskussionen in Becker (1998) und Banateanu (2001).
Literatur
Albouy, François-Xavier. Le temps des catastrophes. Paris: Descartes & Cie, 2002.
Al-Ghazali. Mikhtarat Min Ahthar AlGhazali. In: Saliba, Jamil. Tarikh Al Falsafa Al Arabiah. Beirut: Al Sharikah Al Ahlamiah Lilkitab, 1989.
Ambarish, R. & Siegel, L. »Time is the essence«. RISK 9, 8, 1996, S. 41-2.
Arnheim, Rudolf. Entropy and Art – an Essay on Disorder and Order. Berkeley. University of California Press, 1971. (Deutsch: Entropie und Kunst: ein Versuch über Unordnung und Ordnung. Köln: DuMont, 1979.)
Arrow, Kenneth. »Economic Theory and the Postulate of Rationality«. In: Eatwell, J., Milgate, M. & Newman, P. (Hrsg.) The New Palgrave: A Dictionary of Economics . Vol. 2, S. 69-74. London: Macmillan,
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