B00BOAFYL0 EBOK
menschlichen Natur und der Rationalität, das vom Begriff des homo oeconomicus verkörpert wird. Die Eigenschaften und das Verhalten dieses homo oeconomicus sind in die Postulate der Konsumentenentscheidung integriert und beinhalten Nichtsättigung (mehr wird weniger immer vorgezogen) und Transitivität (global konsistente Entscheidung). So schreibt beispielsweise Arrow (1987):
»Es ist bemerkenswert, dass der in der Alltagssprache verwendete Begriff der ›Rationalität‹ nicht mit der Definition der Wirtschaftswissenschaftler übereinstimmt, die in ihm Transitivität und Vollständigkeit sehen, d. h. eine Maximierung. Gemeinhin wird darunter die vollständige Ausnutzung von Informationen, vernüftige Argumentation und Ähnliches verstanden.«
Für einen Ökonomen ist der beste Ansatz wohl, Rationalität als Maximierung zu verstehen, die zu einer einzigartigen Lösung führt.
Selbst das macht den Begriff nicht leicht verständlich. Wer maximiert was? Zunächst einmal besteht ein Konflikt zwischen der kollektiven und individuellen Rationalität (die »Tragödie des Gemeinschaftsraums«, wie sie Keynes in seiner Parabel über das Stadium nennt, in der die optimale Strategie des Einzelnen darin bestünde aufzustehen, aber kollektiv die optimale Strategie für alle darin besteht, sitzen zu bleiben). Ein weiteres Problem wirft Arrows Wählerunmöglichlceitstheorem auf Bürger wählen, aber die wahrscheinlichkeitsadjustierten Gewinne aus der Stimmabgabe können geringer sein als der mit dem Besuch im Wahllokal verbundene Aufwand. Vgl. die Diskussion dieser Paradoxe bei Luce & Raiffa (1957).
Die Literatur zur rationalen Entscheidung unter Unsicherheit ist sehr umfangreich und fachübergreifend; die Palette reicht von der evolutionären Spieltheorie bis hin zur Politologie. Wie John Harsanyi jedoch ganz unverblümt sagte: Sie ist normativ und soll dies auch sein. Das ist eine heldenhafte Aussage: Sie impliziert, dass die Ökonomie ihre wissenschaftlichen Ambitionen aufgegeben und akzeptiert hat, dass sie nicht beschreibt, was Menschen tun, sondern vielmehr, wie sie handeln sollten. Damit begibt sie sich auf das Gebiet einer anderen Disziplin: der Philosophie (wenngleich noch nicht ganz der Ethik). Somit kann ein Mensch sie vollständig akzeptieren und danach streben, wie der neoklassische Mensch zu handeln. Falls ihm das gelingt.
Ultimat/proximat als Lösung für einige Rationalitätsprobleme: Evolutionstheoretiker unterscheiden zwischen proximaten und ultimaten Ursachen.
Proximate Ursache: Ich esse, weil ich hungrig bin.
Ultimate Ursache: Wenn ich keinen Anreiz gehabt hätte zu essen, wäre ich elegant aus dem Genpool ausgeschieden.
Greift man auf ultimate Ursachen zurück, können viele lokal irrational erscheinende Verhaltensweisen (etwa Arrows Wählerparadoxon) als rational interpretiert werden. Das erklärt Altruismus: Warum würde ein Mensch ein kleines Risiko eingehen, um einen Fremden vor dem Ertrinken zu retten? Dieser Antrieb zu helfen hat uns buchstäblich dahin gebracht, wo wir heute stehen.
Weitere Erkenntnisse zu dieser Unterscheidung liefern Dawkins (1989, 1976) und Pinker (2002).
Rationalität und Scientismus: Auf Anregung von Peter McBurney in unserer Korrespondenz entdeckte ich den Roman Wir von Jewgenij Samjatin, eine in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschriebene Satire auf das leninistische Russland. Der Roman spielt in der fernen Zukunft zu einer Zeit, in der es den tayloristischen und rationalistischen Thesen anscheinend gelungen ist, alle Unsicherheit und Irrationalität aus dem Leben zu verbannen.
»Bounded Rationality«: Simon (1956), Simon (1957), Simon (1987a) und Simon (1987b).
Entstehung der Neurobiologie der Rationalität: Berridge (2003) führt eine neurobiologische Dimension in die Rationalität ein, indem er zwei der vier Nutzen von Daniel Kahneman (erlebter, erinnerter, vorhergesagter und entscheidungsbedingter Nutzen) verwendet und Irrationalität so definiert, dass der entscheidungbedingte Nutzen den vorhergesagten übersteigt. Diese Irrationalität schlägt sich im Nervensystem nieder. Dopaminfreisetzung im mesolimbischen Gehirn.
Sammlung der Artikel zu Heuristiken und Wahrnehmungsverzerrungen in vier Bänden: Kahneman, Slovic & Tversky (1982), Kahneman & Tversky (2000), Gilovich, Griffin & Kahneman (2002) und Kahneman, Diener & Schwarz (1999).
Doppelte Logiksysteme: Vgl. Sloman (1996) und Sloman (2002). Siehe auch die Zusammenfassung in Kahneman & Frederick
Weitere Kostenlose Bücher