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enthüllen, die Unternehmen einsetzen, um ihre Ergebnisse zu verschleiern. Bisweilen sind sie den Unternehmen in diesem Spiel überlegen. Aber sie sind weder für die Berücksichtigung des Zufalls noch für den Umgang mit Zufälligkeiten ausgebildet (und sie besitzen auch nicht genügend Selbsterkenntnis, um die Grenzen ihrer Methoden zu erkennen – Aktienanalysten haben eine schlechtere Erfolgsbilanz und zugleich eine höhere Meinung von ihren früheren Leistungen als Meteorologen). Wenn eine Firma einmal ihren Gewinn steigert, weckt das nicht sofort ihre Aufmerksamkeit. Beim zweiten Mal taucht ihr Name allmählich auf Computermonitoren auf. Beim dritten Mal werden einige Analysten das Unternehmen zum Kauf empfehlen.
Wie im Falle der Erfolgsbilanz unserer Investmentmanager sehen wir uns hier eine Gruppe von 10 000 Unternehmen an, von denen angenommen wird, dass sie im Durchschnitt eine Rendite erzielen, die kaum dem risikofreien Zins (also der Rendite von Staatsanleihen) entspricht. Sie sind in allen erdenklichen Geschäftsfeldern aktiv, die starken Schwankungen unterworfen sind. Am Ende des ersten Jahres haben wir 5000 »Stars«, die höhere Gewinne ausweisen können (unter der Annahme, dass keine Inflation herrscht), und 5000 »Flops«. Nach drei Jahren sind es 1250 Stars. Der Investmentausschuss einer Bank empfiehlt diese Ihrem Broker zum Kauf (»Strong Buy« im Börsenjargon). Dieser hinterlässt auf Ihrer Mailbox eine Nachricht, dass er einen heißen Tipp für Sie hat, den Sie sich unbedingt sofort ansehen sollten. Sie erhalten per E-Mail eine lange Liste von Namen. Davon wählen Sie ein oder zwei Titel aus. Währenddessen kauft der Portfoliomanager Ihres Altervorsorgefonds die ganze Liste.
Wir können diese Argumentation auf die Auswahl verschiedener Anlagekategorien anwenden – so als würde es sich dabei um die Manager aus dem oben beschriebenen Beispiel handeln. Nehmen wir an, Sie befänden sich im Jahr 1900 und könnten aus Hunderten von Anlagemöglichkeiten auswählen. Sie können dabei die Aktienmärkte in Argentinien, im russischen Zarenreich, in Großbritannien, im Deutschen Kaiserreich und in vielen anderen Ländern in Betracht ziehen. Ein rational denkender Mensch hätte nicht nur in einen Emerging Market wie den der Vereinigten Staaten investiert, sondern auch in Russland und Argentinien. Der weitere Verlauf ist bekannt: Während viele Aktienmärkte, darunter auch der britische und amerikanische, sich extrem positiv entwickelten, stand ein Anleger, der Papiere aus dem russischen Zarenreich gekauft hatte, mit wenig mehr als einer Tapete mittlerer Qualität da. Auf die Länder, die gut abschnitten, entfällt kein großer Anteil der ursprünglichen Gruppe; nach dem Zufallsprinzip war zu erwarten, dass einige wenige Anlageklassen eine ausnehmend gute Wertentwicklung zeigen. Ich frage mich, ob so genannte »Experten«, die so törichte (und selbstsüchtige) Aussagen wie »Die Kurse steigen bezogen auf 20 Jahre immer« von sich geben, sich dieses Problems bewusst sind.
Komparatives Glück
Ein weitaus akuteres Problem betrifft überdurchschnittliche Wertentwicklung (Outperformance) in Leistungsvergleichen zwischen zwei und mehr Personen oder Gesellschaften. Wir sind gewiss Narren des Zufalls bei einzelnen Zeitreihen. Umso mehr gilt dies aber bei Vergleichen, etwa zwischen zwei Personen oder einer Person und einer Referenzgröße beziehungsweise Benchmark. Der Grund: Beide sind zufällig. Lassen Sie uns dies anhand eines einfachen Gedankenexperiments durchspielen. Zwei Menschen, etwa ein Mann und sein Schwager, gehen durchs Leben. Nehmen wir an, die Chance, dass sie Glück oder Pech haben, ist bei beiden gleich. Die möglichen Ergebnisse: Glück-Glück (kein Unterschied zwischen den beiden), Pech-Pech (wieder kein Unterschied), Glück-Pech (ein großer Unterschied zwischen ihnen), Pech-Glück (ebenfalls eine gewaltige Kluft).
Unlängst nahm ich erstmals an einer Investmentmanagerkonferenz teil, bei der ich mir den Vortrag eines äußerst langweiligen Referenten anhörte, der Börsenhändler miteinander verglich. Dieser Mann wählte berufsmäßig Fondsmanager aus und bündelte sie für Investoren – er stellte also so genannte »Dachfonds« zusammen. Ich saß im Publikum, als er Zahlen auf die Leinwand warf. Meine erste Offenbarung war, dass ich den Sprecher plötzlich erkannte: Es handelte sich um einen ehemaligen Kollegen, den der Zahn der Zeit körperlich verändert hatte. Früher war er
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