Babel 1 - Hexenwut
die Plags besaßen, dürfte es ihnen nicht schwerfallen, einen Richter zu becircen.
»Haben wir versucht. Es hat nicht funktioniert. Der Typ ist im Schachverein und daher gewohnt, sich bis aufs Äußerste zu konzentrieren. Unsere Methode hat nicht gefruchtet. Jedes Mal, wenn einer von uns versucht hat, ihm tief in die Augen zu schauen, hat er einfach die Verbindung gekappt.«
»Beeindruckend.«
»Ziemlich.« Frustriert fuhr er sich über die Augen. »Die Polizei hält uns für Punks und sucht in Kreisen nach Spuren, mit denen die sonst so Schwierigkeiten haben. Wie sollen wir ihnen erklären, dass für uns die offensichtlichste Gemeinsamkeit der Opfer ihre Herkunft ist? Die halten uns doch für total durchgedreht.«
Ja, so mancher Plag hatte schon Ärger mit dem Jugendamt bekommen, wenn er erklärte, dass seine Lebensweise keinen schädlichen Einfluss auf seine Kinder hatte, weil sie doch alle Nachfahren von Naturgeistern waren.
»Wer steht noch auf eurer Liste?«
Er zögerte und sah sie dabei fast entschuldigend an. »Das Land war in früheren Zeiten Ritualboden.«
Und da hatten sie ihn endlich, den wirklichen Grund, warum er sie engagieren wollte. Um die offensichtlichen Verdächtigen kümmerte sich die Polizei - aber die hatte eine Gruppe natürlich nicht auf dem Schirm.
»Ihr glaubt, eine Hexe könnte etwas damit zu tun haben. Dass sie das Land will, um ihre Magie zu stärken.«
»Könnte doch sein. Möglich, dass man uns auf diese Art vertreiben will. Der Boden ist magisch aufgeladen, das musst du gespürt haben.«
»Ich dachte, das liegt an eurer Energie.«
»Nicht nur. Dieser Ort hat schon allen möglichen Leuten als Heimstatt gedient. Alben, Plags, Hexen und Zigeunern, sie alle haben ihre Muster hinterlassen. Das macht es für eine Hexe interessant, oder?«
In der Tat, das war wie eine Hochleistungsbatterie, an der sich die Hexe bedienen konnte, wenn die Plags erst mal das Feld geräumt hätten. Aber würde jemand dafür wirklich töten?
Babel dachte an die anderen Hexen, die in der Stadt lebten. Drei von ihnen besaßen ihres Wissens nicht einmal annähernd die Fähigkeiten, sich einen solchen Platz wie diesen hier zunutze zu machen. Aber vielleicht ging es ja genau darum: ihre Macht zu vergrößern. Die fähigste Hexe in der Stadt war Cla-rissa, das Oberhaupt einer Hexenfamilie, die seit Jahrzehnten in dieser Stadt ansässig war. In Babels Augen war Clarissa eine herrschsüchtige alte Frau, die mit eiserner Hand die Mitglieder ihrer Familie regierte. Sowohl Sohn als auch Tochter lebten noch unter ihrem Dach und waren in die Familiengeschäfte integriert. Die anderen Hexen ließ Clarissa nur in der Stadt wohnen, weil sie kleine Fische waren. Die einzige echte Konkurrenz für Clarissa war Babel. Als sie in die Stadt gezogen war, hatte Clarissa ihr ziemlich schnell nahegelegt weiterzuziehen. Zwei Wochen lang hatte sie versucht, Babel zu verfluchen, aber als das nichts nützte, hatten sie eine Art Waffenstillstand vereinbart. Trotzdem bestand kein Zweifel daran, dass es sich lediglich um eine Verschnaufpause in der Auseinandersetzung handelte, die irgendwann zu Ende geführt werden würde.
Obwohl Babel Clarissa und ihre Brut nicht mochte, traute sie ihr auch nicht unbedingt eine Mordserie zu. Die Hand hätte sie dafür allerdings nicht ins Feuer gelegt.
»Warum bittest du ausgerechnet mich um Hilfe, wenn ihr denkt, dass es eine Hexe sein könnte?«
»Weil ich weiß, dass du es nicht warst. Als der zweite Mord passierte, hat dich einer der Jungs in deinem Büro gesehen.«
Sie warf Mo einen Blick zu, der sich nach hinten an die Lehne drückte und sie schon wieder trotzig ansah.
»Du meinst, dieser Zeuge hat gerade Parolen an die Hauswand meines Büros geschmiert.«
Als sie wieder einen tiefen Schluck aus der Flasche nahm, beugte er sich nach vorn, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt. Sein Blick wurde ernst und eindringlich - er erinnerte Babel daran, dass die Plags nicht nur eine schöne Hülle besaßen, sondern auch gefährlich waren.
»Von den Elben wird verzaubert mancher Mann,
So ist mir's durch Liebesmacht geschehn ...«
»Du musst uns helfen, Babel. Der Grund, warum wir uns an dich wenden, ist vor allem einer: Uns läuft die Zeit davon, denn es gibt auch noch ein anderes Problem. Die Polizei hat DNA-Spuren bei den Opfern gefunden. Natürlich nützt ihnen das nichts, wenn sie nicht das passende Gegenstück finden. Es ist üblich, im Umfeld des Opfers um Speichelproben zu bitten,
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