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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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begegnete. Menschen reagierten auf ihn wie Motten auf Licht.
    Sam war nicht ihr erster Freund, aber noch nie war sie einem Jungen so verfallen wie diesem. Ständig hatte er neue Ideen, zeigte ihr verborgene Plätze, die fast verwunschen wirkten, wie das alte Stellwerk, dessen Mauern schon eingestürzt und vom Moos überwuchert waren. Einmal war er mit Babel sogar auf einen Wasserturm geklettert, zwanzig Meter in die Höhe auf schmalen Sprossen an der Außenwand entlang. Als sie ganz oben gesessen hatten, der Wind an ihren Haaren zerrte und ihre Beine über dem Abgrund baumelten, da hatte er ihre Hand genommen, und sie hatte sich so lebendig gefühlt wie nie zuvor, während unter ihren Füßen die Lichter der Stadt glühwürmchengleich geblinkt hatten.
    Sie erinnerte sich noch genau an die ersten Worte, die er zu ihr gesprochen hatte. »Ich weiß, was du bist, Hexe«, hatte er geflüstert, und seine Lippen hatten ganz leicht ihr Ohr berührt. »Ich kann es riechen.« Dabei waren seine Energiewellen wie kleine Blitze auf ihre Haut getroffen und hatten dort einen Flächenbrand entfacht, der verriet, dass er kein Mensch war.
    Irritiert hatte sie gefragt: »Was bist du?«, aber er hatte nicht geantwortet, nur gelächelt und sie auf die Tanzfläche gezogen, hinein in das zuckende Licht der Scheinwerfer ...
    Später, im Schatten einer Häuserwand, an die er sie presste, hatte er ihr dann dieses eine Wort zugeflüstert, das ihr unter die Haut gedrungen war: Dämonenkind.
    Aber sie war nicht davongerannt, wie sie es hätte tun sollen, sondern hatte nur die Hände in die Gürtelschlaufen seiner Jeans gesteckt und ihn näher zu sich gezogen. In seinem Gesicht hatte sie nach Spuren seiner Herkunft gesucht, aber alles, was sie sah, war das Feuer in seinen Augen.
    Ihre Mutter hatte sie mehr als einmal vor Dämonen gewarnt, weil man sie so schlecht beherrschen konnte. Doch im Schatten dieser Mauer hatte Babel Sam geküsst. Während durch die halb geöffnete Clubtür die hämmernden Bässe nach draußen drangen, hatte sie zugelassen, dass er sie ganz eng an sich zog und ihr sanft ins Ohrläppchen biss. Seit diesem Abend waren sie zusammen.
    Ein Paar.
    Wie Napoleon und Josephine! Cäsar und Kleopatra! Batman und Catwoman!
    Vor diesem Treffen im Club war sie noch nie einem Dämonenkind begegnet - die waren schließlich so selten wie Albinos und liefen einem nicht jeden Tag über den Weg. Fasziniert hatte sie ihn beobachtet und war sich dabei vorgekommen wie ein Forscher, der unentdecktes Land kartografiert. Mit jedem Mal, wenn ihre Finger oder ihre Lippen über seine Haut strichen, verschwanden die weißen Flecken auf der Landkarte, die sein Körper war. Die dämonische Energie, die in seinen Zellen steckte, konnte Babel als Wärme spüren, die sich auf sie übertrug. Und die meiste Zeit war Babel in Sams Nähe so glücklich, dass sie platzen könnte.
    Nur manchmal gab es da dieses kleine Problem mit ihm ...
    »Hör mal, ich will heute Abend aber keinen Ärger, Sam, okay? Keine Prügeleien. Keine Wetten. Kein Unsinn, der damit endet, dass wir fluchtartig das Haus verlassen müssen, ja?«
    Er riss die Augen auf und legte die Hand aufs Herz. »Was? Ich? Ich bin der reinste Chorknabe.«
    »Ich meins ernst.«
    »Schon klar, Süße.« Übermütig küsste er sie auf den Scheitel, und sie seufzte.
    Das war das Problem mit Dämonenkindern: ihr überschäumendes Temperament. Ständig musste etwas passieren, denn Sam schien nie müde zu werden. Eine Herausforderung jagte die nächste, und es verging keine Woche, in der er nicht mit Schrammen und aufgeschürften Fingerknöcheln bei ihr auftauchte, weil er sich mal wieder geprügelt hatte. Dass er meist als Sieger aus den Schlägereien hervorging, schürte nur seinen Appetit. Am Anfang hatte sie das noch rebellisch gefunden, inzwischen wusste sie, dass er einfach gern auf Ärger aus war, um sich mit anderen zu messen. Es spielte keine Rolle, ob sie älter waren oder zwanzig Kilo mehr auf die Waage brachten. Je größer die Herausforderung, desto besser. Ich lass mich von niemandem verarschen! Von niemandem! Das war sein Motto.
    Als kleines Kind hatte sich Babel vor den Dämonen gefürchtet und den Geschichten, die ihre Mutter über sie erzählt hatte. Es waren düstere Märchen gewesen. Wenn ein Mensch von einem Dämon besessen war, konnte er ein Kind zeugen, das seine dämonische Signatur in sich trug. Diese Kinder sahen vielleicht aus wie Menschen, aber ihr Energiemuster unterschied sich von

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