Babel 1 - Hexenwut
ihm sagte: »Hier gibt es schlechtes Karma«, dann sah er sie nicht an, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank, sondern wechselte einfach kommentarlos mit ihr die Straßenseite. Sie musste ihm nicht erklären, dass jedes Ding sein eigenes magisches Energiefeld besaß, auf das man Einfluss nehmen konnte, wenn man magisch aktiv war wie sie. Dass es neben ihrer eigenen Existenzebene auch noch andere Ebenen gab. Die der Toten, der Geister und Dämonen. All die Erklärungen, die ihr bei den Jungs vor ihm so schwergefallen waren - unnötig.
Es hatte seine Vorteile, mit jemandem zusammen zu sein, der wusste, dass Hexen keine Erfindung der Esoteriker waren. Daher nahm sie Sams provokantes Verhalten manchmal in Kauf.
Während er im Wohnzimmer Hof hielt und sich dabei prächtig zu amüsieren schien, organisierte sich Babel in der Küche ein eigenes Bier. Nach den ersten Schlucken entspannte sie sich allmählich. Anfangs war die Party wie all die Partys davor, auf denen sie schon gewesen war: Bier in Massen, hier und da ein Joint, und aus den Boxen klang so laut Joy Division, dass die Nachbarn irgendwann die Polizei alarmierten.
Nachdem die Polizisten wieder verschwunden waren, wurde es dann ruhiger. Gegen drei Uhr morgens war nur noch ein
Dutzend Leute da, die im Wohnzimmer auf dem Fußboden lungerten und über irgendwelche Fernsehserien debattierten, die Babel nicht kannte, weil es in ihrer Bude keinen Fernseher gab. Ein schmächtiger, kleiner Kerl versuchte ausdauernd, sie von den Vorzügen einer Wasserpfeife zu überzeugen, und auch ihre einsilbigen Antworten brachten ihn nicht dazu, sie in Ruhe zu lassen. Als sie Sam das nächste Mal sah, hatte er sein T-Shirt verloren und war reichlich betrunken. Den Oberkörper bedeckte ein leichter Schweißfilm, als wäre er gerannt, und im Licht der Wohnzimmerlampe glänzte seine Haut. In seinen Augen lag dieses Glitzern, das ihr eine Warnung war, und sein Blick huschte unruhig über die Menge. Er setzte sich ins Zentrum der Gruppe und grinste Babel an, während alle anderen ihn anstarrten.
»Was ist?«, fragte sie irritiert.
»Mir ist langweilig.«
»Du wolltest doch hierher.«
Er zuckte mit den Schultern, und eine Weile saßen sie schweigend da und lauschten den Gesprächen. Eigentlich wollte Babel am liebsten gehen. Die Gespräche waren nicht besonders interessant, und die Musik wurde auch immer schlechter. Außerdem konnte sie Sam ansehen, dass er nur darauf wartete, dass etwas Spektakuläres passieren würde. Von ihm ging eine vibrierende Energie aus, die ihr in den Fingerspitzen brannte.
Als die anderen begannen, sich über Fantasy-Rollenspiele zu unterhalten und Worte wie Tauberer und Flüche fielen, wuchs ihre Unruhe. Bald kreiste das Gespräch um das Thema Magie, aber an der Art, wie die Leute darüber sprachen, erkannte Babel, dass kein Einziger von ihnen wusste, wovon er redete. Dabei waren sie sicher alle schon mal mit Magie in Kontakt gekommen, Babel müsste nur die richtigen Fragen stellen ...
Schon mal nachts schweißgebadet aufgewacht, mit dem Gefühl, beobachtet zu werden? Und dabei ist dir der Brustkorb so eng geworden, dass du kaum noch atmen konntest, und eine Traurigkeit hat von dir Besitz ergriffen, für die es gar keinen Grund gab ? Schon mal ganz plötzlich daran gedacht, wie es wäre, den Hals dieser niedlichen kleinen Katze zuzudrücken, die so hilflos in deiner Hand liegt? Einfach weil du die Macht dazu hast?
Dann streift dich vielleicht gerade ein Dämon. Oder das Bedauern eines Toten hüllt dich ein, der dich um deine Wärme beneidet. Und vielleicht liegt das Flüstern eines Dämons in der Luft, das dir Gedanken in den Kopf setzt, auf die du selbst niemals gekommen wärst.
Das tun sie gern, die Bastarde.
Dämonen und Toten fehlte auf dieser Existenzebene der Körper, daher konnten sie keinen direkten Einfluss auf Menschen nehmen. Sie existierten auf einer Ebene parallel zu dieser, von der aus sie auf die Energien der Menschen Zugriffen, die in ihre Nähe kamen. Ihre Macht reichte aus, um winzige Veränderungen in den Energiemustem der Lebenden zu verursachen, die diese dann als Angst, Erschöpfung oder Wut spürten. Sie waren eine unsichtbare Bedrohung, von der nur wenige wussten.
Babels Blick wanderte zu Sam, der damit beschäftigt war, die anderen zu beobachten. In seinem Blick lag etwas Lauerndes, und sie verspürte den Drang, aufzuspringen und davonzulaufen. In diesem Moment konnte sie auf einmal ganz deutlich fühlen, was er war
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