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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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Hauswand empor, aber in den Fenstern spiegelte sich die Sonne. Sie konnte nicht erkennen, was dahinter vor sich ging.
    Plötzlich ertönte hinter ihr ein Pfiff, und Babel fuhr herum. Auf der anderen Straßenseite stand Mo hinter einem Auto und winkte sie hastig zu sich. Sein Gesicht war schneeweiß und verbissen. Es gehörte nicht viel dazu, um zu begreifen, dass der Junge verängstigt war. Sie legte den Helm ab und überquerte die Straße. Als sie näher kam, wich er jedoch einen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände.
    »Whoa, was ist denn mit dir los?«
    Irritiert blieb sie stehen.
    »Deine Magie …«
    Da verstand sie. Die magische Energie musste ihn in heißen Wellen erreichen, weil sie so aufgedreht war. Aber Babel konnte jetzt keine Rücksicht auf seine sensiblen Antennen nehmen. Machtvoll spürte sie die Energien in sich, und genau das brauchte sie in diesem Augenblick – immerhin riskierte sie hier ihren Kopf, wenn der Mörder wirklich dort oben war.
    »Erzähl mir, was los ist«, forderte sie ihn auf, während sie die belebte Straße im Blick behielt. Die Passanten, die an ihnen vorüberliefen, musterten sie neugierig.
    Mo schluckte ein paarmal, bevor er antwortete. Näher heran kam er allerdings nicht. »Ich wollte das Bild holen …«
    »Das im Wohnzimmer?«
    Er nickte. »Ich dachte … wenn wir weggehen, dann ist sie so irgendwie noch bei uns … Ich war oben vor der Wohnung, als ich das zerbrochene Siegel gesehen habe.«
    »Hast du jemanden gehört?«
    »Nein. Ich bin wieder runtergerannt und hab dich angerufen.« Beschämt senkte er den Kopf und starrte auf seine Füße.
    »Es wäre dumm gewesen, wenn du allein reinmarschiert wärst, Mo.«
    Davon schien er nicht überzeugt. In seinem Alter galt man lieber als dumm denn feige. Beunruhigt blickte Babel zurück zum Haus. Sollte sie auf Tom warten? Aber wer immer in der Wohnung war, konnte bis dahin vielleicht schon wieder verschwunden sein. Das Risiko wollte sie nicht eingehen. »Warte hier, bis Tom da ist, und dann verschwindest du.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Wenn da oben wirklich jemand ist und das Ganze außer Kontrolle gerät, will ich nicht, dass du in der Nähe bist.«
    Störrisch zog er die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme.
    »Bitte, Mo. Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn ich mich fragen muss, ob du in Sicherheit bist, verstehst du das?«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis er zögerlich nickte. Noch einmal warf Babel einen Blick die Straße hinauf, aber es war nichts Verdächtiges zu sehen. Am Ende der Straße bog das Müllauto langsam um die Ecke. Langsam ging sie zum Haus zurück und betrat den dämmrigen Flur, in dem noch alles genauso aussah wie bei ihrem ersten Besuch. Die Kinderwagen standen neben der Treppe, und der Korb unter den Briefkästen quoll über vor Werbeprospekten. Es roch nach verbranntem Papier und feuchtem Mauerwerk. Im Hausflur war niemand zu hören, und auch hinter den Türen im Erdgeschoss blieb alles still. Durch das Fenster in der Haustür drang ein einzelner Sonnenstrahl, der Babels Füße traf, während sie im Flur stand und ihr magisches Netz ausdehnte. Schattengleich kroch es über die Fliesen, die Wände und hin zur Treppe. Es drang in den Boden, immer tiefer hinab, bis Babel die magischen Energien des Untergrunds spüren konnte. Wie Kristallstrukturen durchzogen die feinen, zitternden Linien des Ortes das gesamte Mauerwerk und auch die Luft.
    Sie schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, das Netz abzutasten. Mit unsichtbaren Fingern fuhr sie über die Energieformen, die sich unter ihren Wellen veränderten und verschoben – und trotzdem kannte Babel dieses Netz. Die Magie der Stadt war ihr so vertraut wie ihre eigene, und an diesem Ort war nichts, was nicht hierher gehörte.
    In unmittelbarer Nähe konnte Babel keinen magisch Aktiven spüren.
    Stirnrunzelnd trat sie an die Treppe. Wenn die andere Hexe ihr Muster verbergen konnte, musste sich Babel ihr erst nähern, um es aufzuspüren, von hier unten war nichts zu erkennen. Vorsichtig stieg sie die Stufen empor, und die Magie malte bei jedem ihrer Schritte taubenblaue Schlieren an die Wand, die sich unter Babels Herzschlag veränderten. Der Schmuck erwärmte sich, und seine Energie verband sich mit ihrer eigenen. Es war lange her, dass sie das magische Netz auf diese Weise angezapft hatte, um solche Kraft zu erzeugen.
    Und auch, seit du ein solches Gefühl der Macht verspürt hast, nicht wahr?
    Das hat damit nichts zu tun.
    Nein?

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