Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Grund, warum Mo hier war?
»Komm schon, sieh ihn dir an, Babel. Der ist nicht anders als andere Jungs in seinem Alter. Er spielt den großen Macker, aber in Wirklichkeit fürchtet er sich zu Tode.«
Nachdenklich betrachtete sie Mo, der zurückkam und sich die nassen Finger an der Hose abwischte – und auf einmal sah sie nur einen Teenager, der nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte. Vielleicht hatte Karl recht.
Sie seufzte. »Na schön, er kann eine Weile hierbleiben, aber wenn er was anstellt, fliegt er raus.«
Sie setzte sich auf ihren Stuhl, und Mo vertiefte sich in ein Gespräch mit Xotl, der sich in seiner Ruhe gestört fühlte und Mo mit Schimpfwörtern bedachte. Der Junge amüsierte sich prächtig.
»Was soll’n das heißen, hä? Willst du sagen, dass du mich scheiße findest, oder was?«
»Daaarmgeburrrt!«
»Wenigstens hab ich keine Federn am Arsch!«
Auf diese Weise ging es eine Weile hin und her, bis Karl Johnny zugunsten von Dolly ablöste, in der irrigen Annahme, dass ihre Stimme den Dämonenpapagei und den Plag irgendwie besänftigen würde. Es führte allerdings nur zu merkwürdigen Geräuschen aus dem Untergeschoss, die sie nach ein paar Minuten als Klopfen gegen die Heizungsrohre identifizierten. Offenbar war die Hutmacherin nicht sehr angetan von Dolly Parton.
Babel brannte darauf, Karl von den neuesten Entwicklungen zu erzählen, aber sie wollte Mo nicht weiter beunruhigen. Auch wenn der Gedanke, sie könne ihn beschützen, eine Illusion war, so war es immer noch besser als gar keine Hoffnung. Karls Blick sagte ihr, dass er das verstand.
Indessen zog er den roten Umschlag aus einem Papierstapel, in den sie den Brief am Abend zuvor geschoben hatte. Bei seinem Anblick ballte Babel die Hand zur Faust.
Karl hielt den Brief in die Höhe. »Auf den bin ich vorhin gestoßen. Der ist an dich adressiert, was ist damit?«
»Nichts.«
»Willst du ihn nicht öffnen?«
»Nein.«
Erstaunt sah er sie an.
Es juckte sie in den Fingern, den Brief an sich zu reißen, und genau deshalb sagte sie hastig: »Steck ihn in den Reißwolf.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ja.« Offenbar war sie nicht in der Lage, sich seiner selbst zu entledigen, also musste es jemand anders für sie tun.
»Wie du meinst.« Karl beugte sich zu dem Schredder hinab, der unter dem Tisch stand. Als das Geräusch des Schredders den Raum erfüllte, atmete Babel erleichtert auf. War doch gar nicht so schwierig gewesen. Jetzt war das Ding aus der Welt und stellte keine Gefahr mehr dar. Sie hätte ihn gleich Karl geben sollen, oder Tamy.
Es wird dir nichts nützen, Babel.
Du kannst mich mal.
»Wie läuft’s mit Tom?«, fragte Mo plötzlich mitten in ihre Gedanken hinein. Er lehnte im Türrahmen, die Arme verschränkt, während sich Xotl im Hintergrund seine verbliebenen Federn putzte.
»Wir kommen voran.«
»Das meine ich nicht. Habt ihr schon gevögelt?«
Sprachlos starrte sie ihn an. »Bitte?«
Er grinste nur, während Karl pfiff und es vorzog, sich in die Küche zu verziehen.
»Darauf kriegst du keine Antwort.«
»Sei doch nicht so prüde. Sieht doch jeder Idiot, dass du scharf auf ihn bist. Kann’s dir nicht verübeln. Er hat diese Wirkung auf Weiber.«
»Na, du musst es ja wissen. Bist wohl Experte, was?«
Er steckte die Hände in die Hosentaschen und bekam große Ähnlichkeit mit dem besagten bösartigen Kobold auf seinem Shirt. »Bist ja nicht die Erste, die ihm schöne Augen macht.«
»Ich mache ihm keine schönen Augen!«, erwiderte Babel lauter.
»Doch, tust du.«
»Nein, tue ich nicht.« Jetzt schrie sie, und Mo schrie zurück: »Klar!«
»Kinder!«, kam es aus der Küche und »Pfui, pfui, pfui« aus dem Käfig.
Mo grinste unentwegt. »Allerdings hatte er vorher noch nie was mit einer Hexe, das ist was Neues.«
»Wie schön.«
Er ließ sich einfach nicht davon abbringen und redete weiter, obwohl die Falte zwischen ihren Augenbrauen jedem Idioten klargemacht hätte, dass Babel nicht darüber reden wollte.
»Vielleicht will er mal was ausprobieren.«
»Vielleicht solltest du einfach mal die Klappe halten.«
»Ich will doch nur helfen.«
»Wir brauchen deine Hilfe nicht.«
Ein Schulterzucken war die Antwort, und die nächsten Minuten verbrachte er damit, ihr Toms Vorzüge aufzuzählen. Dazu gehörten offenbar nicht nur Ehrlichkeit und Humor, sondern auch die Tatsache, dass er schon mal einen Zwei-Meter-Skin auf die Bretter geschickt und dessen Kumpel das halbe Ohr abgebissen hatte, als
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