Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
Vom Netzwerk:
sich die beiden feigerweise zu zweit an Tom rangemacht hatten. Die Fähigkeit, einem Gegner das Ohr abzubeißen, während man ihn sprichwörtlich an den Eiern hat, schien Mo für eine erwähnenswerte Tugend zu halten, mit der man bei Frauen punkten konnte. Babels erstarrten Gesichtsausdruck hielt er wohl für Begeisterung, denn er schmückte die Geschichte so lange aus, bis man annehmen konnte, Tom hätte sich gegen ein Dutzend Männer verteidigt. Zweifellos war er Mos heimlicher – oder nicht ganz so heimlicher – Held.
    »Sag mal, würde es dich gar nicht stören, wenn er …« Sie vollführte eine vage Handbewegung, die ahnen ließ, worauf sie hinauswollte, ohne vulgär zu werden.
    »Nee.«
    »Darf ich fragen, warum?«
    »Wenn du etwas mit ihm hast, wirst du doch nicht zulassen, dass ihm was passiert, oder?« Er stand da, die Hände noch immer in den Hosentaschen, und versuchte, lässig und clever rüberzukommen, aber an seinen angespannten Schultern konnte sie die Angst ablesen, die tief in ihm steckte.
    Karl hatte recht gehabt. Ganz gleich, was der Junge von Magie hielt, offenbar glaubte er, dass Babel über die Macht verfügte, diese Geschichte zu einem guten Ende zu bringen. Sie wünschte, sie könnte da so sicher sein wie er.
    »Wir kriegen das hin«, sagte sie leise, und er nickte abrupt.
    In diesem Moment klingelte sein Handy. Er ging ran und legte nach einem kurzen »Okay« wieder auf. »Ich muss zurück zur Wagenburg. Tom hat den Rat zusammengerufen.« Mit gerunzelter Stirn schaute der Junge erst das Telefon in seiner Hand und dann Babel an.
    Die Plags verfügten über keine festen Hierarchien. Wenn sie sich zu einer Gruppe zusammenschlossen wie in der Wagenburg, entschieden sie nach Mehrheitsprinzip, wobei jeder Plag, der älter war als zwölf, eine Stimme besaß. So einfach war das.
    »Er hat keine guten Nachrichten, oder?«, fragte Mo.
    Babel wich seinem Blick aus. Sie sollte es Tom überlassen, was er den Plags erzählte, aber anlügen wollte sie den Jungen auch nicht, deshalb schüttelte sie einfach den Kopf.
    Einen Moment lang wurden seine Augen groß und zeigten, dass er eigentlich nur ein Kind war, dann verschloss sich sein Gesicht wieder, und der bekannte trotzige Ausdruck tauchte auf. »Ich hau jetzt ab.« Mit einem letzten Blick auf den Papagei rief er: »Bis bald, altes Federvieh!«, und Xotl antwortete: »Blechschwein!«
    Mo schlüpfte aus dem Büro, und Babel hörte ihn die Treppen hinunterpoltern. Ihr blieb nicht viel mehr übrig, als ihm hinterherzurufen: »Und lass dieses Mal das Motorrad stehen!«
    Als die Haustür ins Schloss fiel, kam Karl aus der Küche und setzte sich wieder auf seinen Platz.
    »Glaubst du, dass alle Jugendlichen so sind, oder ist der hier nur einfach ein besonderes Exemplar?«, fragte sie ihn mit verschränkten Armen.
    »Er mag dich.«
    »Komische Art, das zu zeigen.«
    Nachdem sie ihre Gedanken gesammelt hatte, erzählte sie Karl, was sie bei der Staatsanwaltschaft und dem letzten Tatort herausgefunden hatten. Währenddessen saß er schweigend in seinem Stuhl und rauchte einen Zigarillo. Ihre Mitteilungen gefielen ihm nicht, er wechselte nicht einmal die Platte, als Dolly ihre Lieder zu Ende gesungen hatte. Die Stille im Zimmer war geradezu erdrückend.
    »Was wirst du als Nächstes tun?«, fragte er nach einer Weile und stieß kleine Rauchwolken in die Luft.
    »Die anderen Hexen befragen.«
    »Hältst du das für klug?«
    »Mir bleibt nichts anderes übrig. Die Sache ist größer, als wir angenommen haben. Das können wir nicht einfach ignorieren.«
    »Glaubst du wirklich, dass der Täter irgendwann zu uns kommen wird?«
    »Wenn es sich um eine Hexe handelt, ja.« Sie nickte.
    Sie arbeiteten schon so lange zusammen, und Karl kannte sich mittlerweile gut mit dem Alten Wissen aus – trotzdem gab es immer noch Aspekte, die er nicht verstand. Natürlich waren Hexen in erster Linie Menschen, das hieß, sie waren unterschiedlich. Aber es gab ein paar Eigenschaften, die sie alle teilten, weil es ihre Natur mit sich brachte. Gier war eine davon. Das Bedürfnis nach mehr Macht brannte in ihnen allen hell wie Feuer. Die magischen Energien schienen stets auf der Suche nach neuen magischen Quellen zu sein, als würde man ein Kraftwerk speisen. Die Frage war nur, wie eine Hexe damit umging. Ignorierte sie es? Konnte sie es unterdrücken? Oder lebte sie es aus?
    Wenn eine Hexe Morde beging, um ihre Macht zu steigern, dann beantwortete dies die Frage von selbst. Die Gier war

Weitere Kostenlose Bücher