Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Zufrieden ließ sie den Kerl los und verpasste ihm mit dem Stiefel einen Tritt. »Verschwinde!«
Er kroch aus ihrer Reichweite, auf seinen Freund zu, und gemeinsam richteten sie sich auf. Als sie ein paar Meter gewankt waren, setzte wütendes Gemurmel ein, aber sie zogen trotzdem ab wie geprügelte Hunde.
Kopfschüttelnd sah Tamy ihnen nach, bevor sie sich Babel zuwandte. »Ich hasse so was. Erst lassen sie sich volllaufen, und dann flippen sie völlig aus und glauben, sie könnten jeden anpissen.« Sie schob ihre Mütze zurecht und wischte die Haare über die Schulter zurück auf den Rücken, dann nahm sie ihren Platz neben der Tür wieder ein, als wäre nichts gewesen.
In dem Moment ging die Tür auf, und eine Gruppe angeheiterter Leute verließ den Club. Sie lachten laut und warfen Tamy neugierige Blicke zu, aber wenigstens waren sie klug genug, den Mund zu halten.
Als sie die Straße überquert hatten, fragte Tamy: »Was führt dich um die Uhrzeit her? Tanzen sicher nicht.«
Ein einziges Mal war Babel mit ihr in einem Club gewesen, und bei diesem Besuch hatte Tamy sehr schnell festgestellt, dass Tanzen keines von Babels Talenten war. Ihr eigenes allerdings auch nicht – trotzdem liebte sie es, Babel damit aufzuziehen. »Ich kann boxen«, pflegte sie zu sagen, wenn Babel sie darauf hinwies. »Wenn jemand lacht, wenn ich tanze, kriegt er einfach eins drauf. Was willst du dann machen?«
Natürlich hatte Babel ihr nie die Story erzählt, wie sie mit achtzehn auf einer Party die Kleiderträger eines Mädchens reißen ließ, weil es sich beim Tanzen an Sam herangemacht hatte.
»Ich wollte mit dir reden.«
»Probleme?«
»Könnte man so sagen. Aber nicht, was du denkst.«
Tamys Augenbraue wanderte in die Höhe.
Eigentlich wollte Babel ihr etwas ganz anderes erzählen, schließlich sollte alles in der Frage enden, ob sie ihr helfen würde – aber offenbar entschied ihr Unterbewusstsein, dass es neben einem durchgeknallten Killer auch noch ein anderes wesentliches Problem gab, denn als Babel den Mund öffnete, kam nur heraus: »Ich glaube, ich bin dabei, mich zu verlieben.«
»Und das ist ein Problem?«
»Ich kenn ihn gerade mal zwei Tage.«
»Passiert. Ist Romeo und Julia angeblich auch so gegangen.«
»Genau, und sieh dir an, wo das endete.«
»Na ja, du musst das ja nicht gleich so dramatisch machen.«
Babel seufzte. »Wir haben wirklich absolut nichts gemeinsam.«
»Tja, dann wirst du dich vermutlich irgendwann wieder entlieben, aber bis dahin kann’s doch ganz lustig werden.«
»Du siehst das erstaunlich pragmatisch.«
Tamy zuckte mit der Schulter. »Ich bin doch keine vierzehn mehr, Babel. Romantik ist was für Leute, die zu faul zum Arbeiten sind. Echte Liebe ist Arbeit. Du musst dranbleiben, Tag für Tag, und wenn’s anfängt, selbstverständlich zu werden, ist das meist der Anfang vom Ende.«
»Äh …«
Mit ihrer nüchternen Art schaffte es Tamy, dass sich Babel augenblicklich fragte, ob sie nicht aus einer Mücke einen Elefanten machte? Mit ein bisschen Abstand musste das Ganze wahrscheinlich so aussehen: Da war also dieser unglaublich gut aussehende Mann, der Babel ohne Federlesen erklärte, dass er sie attraktiv fand, der kein Weichei war und vermutlich sogar dieselbe Partei wählte wie sie – und Babel hatte nichts Besseres zu tun, als darüber nachzugrübeln, wie die Sache schiefgehen konnte, die ja noch nicht mal richtig begonnen hatte.
Sie gab zu, dass das Ganze aus einer entfernteren Perspektive reichlich albern aussah. Spontan verspürte sie das Bedürfnis, Tom anzurufen und ihm zu sagen, dass sie sich die Sache anders überlegt hatte und er seinen Arsch hierher schwingen sollte, um mit ihr einen neuen Matratzenrekord aufzustellen. Von ihr aus konnte er vorher auch ein paar Rosen aus einem Garten klauen, damit die Sache wenigstens einen romantischen Anstrich bekam, ganz gleich, was Tamy sagte.
Babel musste sich ein bisschen in Gedanken verloren haben, denn Tamy räusperte sich und fragte: »War das alles, worüber du reden wolltest? Dass du frisch verliebt bist?«
Na ja, die Sache war eigentlich ein bisschen komplizierter, aber das konnte wirklich warten. Im Grunde wollte sie endlich mit Tamy über eine andere Sache reden.
»Ich bräuchte morgen mal deine Hilfe … ich meine, deine Hilfe als …« Sie suchte nach dem passenden Wort.
»Knochenbrecher?«
Babel zuckte mit den Schultern, und Tamys Blick wurde schärfer.
»Wobei?«
»Du weißt, dass ich mit Karl ein Büro
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