Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
wusste nicht, was sie sagen sollte. Am Ende nickte sie nur und murmelte: »Okay.«
Nachdem Tamy einen letzten Blick auf die Krähe geworfen hatte, schüttelte sie den Kopf und fuhr davon.
Unschlüssig stand Babel im Garten, bis sich die Krähe von ihrer Schulter in die Luft erhob. Der Vogel suchte sich wieder einen Platz im Baum, und Babel konzentrierte sich darauf, die Verbindung zu lösen, die ohnehin schwächer wurde. Der plötzliche Verlust der doppelten Sicht ließ sie für einen Moment ebenso orientierungslos zurück wie ihre Einführung. Sie atmete tief durch, bis das Schwindelgefühl wieder verschwand, während die Krähe von ihrem Ast emotionslos auf sie herabschaute.
Für Judith muss es eigenartig sein, mit ihren Tieren verbunden zu sein , dachte Babel.
Mit langsamen Schritten ging sie auf das Haus zu. Der Tag forderte seinen Tribut. Ihre Wange schmerzte ebenso wie ihre Schultern, wo André sie an die Wand gepresst hatte, und auf einmal sehnte sich Babel nach nichts mehr als einem langen, heißen Bad.
Das kommt davon, wenn man Mördern hinterherjagt.
Der Bär auf der Eingangstür blickte ihr starr entgegen, während sie über die Ereignisse des Tages nachdachte. Als sie nach der Klinke griff, spürte sie, wie ihre Finger zitterten, und auf einmal färbte sich die Haustür blau.
Ihre Magie hatte sich unbewusst eingeschaltet. Ein vertrautes Gefühl breitete sich in ihrem Körper aus, als die Magie sie durchströmte und von innen wärmte. Manchmal hatte Babel das Gefühl, die Magie ersetzte ihr Unterbewusstsein. Sie schien besser über Babel Bescheid zu wissen als sie selbst und war nicht nur die Quelle von Babels größten Ängsten, sondern auch ihr Trost.
Irritiert über ihre eigene Zerrissenheit betrat sie das Haus und hörte sofort das Klingeln des Telefons, das überlaut in der Stille widerhallte. Erschöpft ging sie ins Wohnzimmer, während sich der Anrufbeantworter einschaltete.
Karls Stimme klang vom Band. »Bist du schon da … Lass das! … Babel? … Du, Mistvieh … Ich wollte nur sehen …« Scheppern. »… Verdammt … ob du noch lebst …«
Sie schaltete das Band aus und nahm ab. »Was ist denn bei dir los?«
Am anderen Ende war ein langer Seufzer zu hören. »Xotl hat den Wellensittich von Yolanda angelockt.«
»Und möchtest du mir erklären, wie der Wellensittich der Hutmacherin in unser Büro kommt?«
»Durchs Fenster? Keine Ahnung, vielleicht ist er unten ausgebüchst. Als ich gerade zur Tür hereinkam, saß er jedenfalls vor dem Käfig.«
»Und was wollte Xotl mit dem Wellensittich?«
»Mhm, na ja, also, wenn du mich fragst, dann sah es fast so aus, als wolle er ihn … becircen.«
Entsetzt sah Babel den Hörer an, als könne das Stück Plastik irgendetwas erklären.
»Hallo?«, schallte es daraus hervor.
Sie nahm den Hörer wieder ans Ohr. »Neue Regel für das Büro: Sollte der Papagei – jemals wieder – etwas tun, das auch nur im Entferntesten in eine solche Richtung geht, decken wir den Mantel des Schweigens darüber. Einverstanden? Denn solche Bilder sind einfach zu verstörend.«
»Einverstanden.«
»Karl?«
»Ja?«
»Wo ist der Wellensittich jetzt?«
Eine kurze Pause folgte, dann kam es kleinlaut: »Unter einer Tupperdose. Ich hab eine aus deinem Regal genommen. Ich musste ihn ja irgendwie festhalten.«
Erschöpft massierte sich Babel die Schläfe. »Sag mal, was treibst du eigentlich, wenn ich nicht da bin? Nein, warte, beantworte die Frage nicht, ich will’s nicht wissen.« Sie setzte sich auf die Couch und zog die Stiefel von den Füßen.
»Keine Bange, ich werde ihn Yolanda nachher runterbringen. Wie liefen deine Nachforschungen?« Sie hörte, wie er sich hinter den Schreibtisch setzte.
»Besser als erwartet. Der Zusammenstoß war minimal.« Sie spürte ihre bleischweren Glieder und legte den Kopf auf die Sofalehne. In langsamen Sätzen erzählte sie Karl von den Begegnungen mit den anderen Hexen, und er hörte sich alles geduldig an. Zwischendurch machte er manchmal »Mhm«, und als sie von Andrés Attacke berichtete: »Dreckskerl!« Es dauerte ein bisschen, bis er sich wieder beruhigt hatte.
»Hör mal, können wir morgen darüber reden? Ich muss ein bisschen verschnaufen.«
»Brauchst du etwas?«
»Einen Schnaps?«
»Ich dachte eher an etwas wie Salbe oder Eisbeutel.«
»Ich bin versorgt.«
Er räusperte sich. »Das ist jetzt vielleicht nicht der beste Zeitpunkt, aber was machen wir denn nun mit dem Groupie aus der Hölle? Die haben mich
Weitere Kostenlose Bücher