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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das schlechte Gewissen. Red schon, du verdorrtes Moosbündel, inzwischen habe ich Übung im Zuhören.
    »Ich mache es kurz, Väterchen«, sagte Pyljow. »Nicht viel ist zu sagen, ziemlich langweilig ist das Leben … Was soll da schon passieren?«
    Typisch Pyljow, dachte Babkin böse. Von nichts weiß er, lebt dahin wie ein Stück Schulkreide, und um ihn herum brodelt das Chaos. Das Chaos der Familie Babkin. Was ich bisher gehört habe, reicht für sieben Höllen … Nur weiter, Pyljow, nur weiter!
    »Ich habe Nelli, deine Tochter, geheiratet, aber warum habe ich das getan? Weil sie so schön ist? Nicht mal ein Blinder würde das behaupten. Nicht übel ist sie, da muß man ehrlich sein, aber ein so ästhetischer Mensch wie ich fühlt sich elend und wird allergisch gegen durchschnittliche Unvollkommenheit. Warum also, frag es nur, Väterchen Babkin, habe ich Nelli geheiratet? Weil sie Geld hat – ganz einfach! Zwar dein Geld, aber sie wird's einmal erben. Siehst du, die Rechnung ist aufgegangen! Jetzt erbt sie es. Nach Tobolsk werden wir ziehen und ein fröhliches Leben führen.«
    Pyljow beugte sich etwas vor. Oh, könnte ich ihn jetzt ins Gesicht schlagen, dachte Babkin. So mitten hinein in das fade Gesicht, die mädchenhafte Nase plattwalzen – oh, wäre das ein Gefühl!
    Pyljow war aber noch nicht fertig, er blieb sitzen und wedelte sich mit der bunten Sternenkrawatte Luft zu. Im Zimmer war es stickig warm, jemand hätte das Fenster aufstoßen müssen, doch die Ehrfurcht vor dem Toten verbot das Hereinlassen von frischer Luft.
    »Bleiben wir bei der Ehrlichkeit, Väterchen«, sagte Pyljow leise. Babkin mußte sich anstrengen, um ihn zu verstehen. »Im Grunde wäre es Unsinn gewesen, Nelli zu heiraten … ich meine, vom Männlichen her betrachtet. Mit großer Mühe habe ich das mein Leben lang verschwiegen, keiner hat es bemerkt, und niemand traut's mir auch zu, aber dir, mein armer Babkin, kann ich es nun sagen, denn dein Schweigen ist ewig: Ich liebe nur Männer! Ganz ungefährlich ist das, denn mein Liebling Bobo, der Milizionär …«
    Babkin schloß – natürlich nur bildlich gemeint – die Augen. Mein Schwiegersohn Boris Witalowitsch Pyljow ist ein Schwuler! Der Lehrer von Ulorjansk! Das war mehr, als man als Vater und guter Bürger ertragen konnte.
    Aber man muß auch das hinnehmen … Stumm und steif liegt man da zwischen den Kerzen, und selbst Dr. Poscharskij weiß nicht, woran man gestorben ist! Das Schlimmste ist's für einen Toten, nicht zu wissen, warum er gestorben ist.
    Da stelle ich eine Büchse mit Scheuerpulver ins Regal und liege plötzlich auf der Erde! Ganz ohne Schmerzen, nicht die geringsten Anzeichen einer Krankheit – falle einfach um und bin für die Welt nicht mehr da … Kann mir das jemand erklären? Ich höre doch alles, Genossen …
    Pyljow erhob sich vom Stuhl, wechselte brav eine niedergebrannte Kerze aus und zog seinen Sternchenschlips wieder hoch. Korrektheit ist das halbe Leben eines Lehrers.
    »Da ist aber noch etwas, Väterchen«, sagte Pyljow kühn. »Mütterchen Nina wird auf dem Erbe hocken wie eine Glucke auf den Eiern. Was macht man mit einer solch bösen Glucke? Na? Den Hals dreht man ihr um! Genau das wäre zu überlegen … was nützen mir sonst Nelli und ihr Erbe, wenn Nina Romanowna es bewacht wie Fafner?«
    Babkin wußte nicht, wer Fafner war. Woher soll ein ehrlicher Mensch aus Ulorjansk wissen, daß einmal ein Drache mit Namen Fafner einen Germanskij-Schatz, Nibelungenschatz genannt, bewacht hat und von einem ziemlich einfältigen Jüngling, der sich Siegfried betitelte, erschlagen wurde? Ganz unmodern, nur mit einem Schwert! Blistschenkow hatte also doch recht mit seiner Behauptung: Die Deutschen sind uns weit unterlegen.
    Diese Unwissenheit konnte man Babkin also nicht übelnehmen, aber sie ärgerte ihn doch sehr. Immer muß dieser Schwachkopf von Schwiegersohn akademisch sprechen, dachte er. Fafner! Was soll das bedeuten?
    Neulich sagt er zu mir: »Väterchen, wenn die ökonomischen Innovation Sibiriens ihren Kulminationspunkt erreicht hat, wird auch Ulorjansk in der Gesamtintegration eine sublime Rolle im konzernalen Aufbau der Industrie bekommen.«
    Ich habe weise und zustimmend genickt – was blieb mir anderes übrig? Er hätte auch sagen können: Tschimlabumtratatätä … ich hätte ebenso genickt. Und jetzt soll Ninotschka, dieses ungetreue Aas, ein oder eine Fafner sein?
    »Babkin, Väterchen«, sagte Pyljow wie ein Verschwörer. »Wir werden

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