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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Mütterchen Nina wohl töten müssen, um an das Erbe zu kommen. Kein Problem, Wadim Igorowitsch … Stell dir vor – wie glücklich du sein wirst, dein Weibchen so schnell wieder bei dir zu haben! Familiensinn muß man haben, Väterchen, Familiensinn …«
    Er winkte Babkin freundlich zu und verließ befriedigt das Zimmer. Nur als er die Tür aufstieß, begann er pflichtschuldig zu schluchzen.
    Was muß ich noch alles erleben, dachte Babkin zum wiederholten Male, als er für eine Minute wieder allein in seinem Sterbezimmer war. Da liegt man nun, stumm und steif, alle halten einen für tot und erzählen mir mehr, als man im Leben jemals hätte ertragen können, und nun glauben sie, mich mit dieser Beichte selig in den Himmel entlassen zu können. O je, ist das eine Welt! Sei froh, Wadim Igorowitsch, daß du morgen begraben wirst!
    Er kam gar nicht mehr dazu, bei diesem Gedanken in Panik zu geraten, denn wer möchte schon gern, daß man über einem Lebenden den Sarg zunagelt, weil Nelli Wadimowna, sein ältestes Töchterchen, mit rotgeweinten Augen an sein Bett trat.
    War immer ein stolzes Mädchen, dachte Babkin zufrieden, meine Erstgeborene. Sittsam, züchtig, tüchtig in Schule und Haushalt, eine wahre Stütze von uns Alten, bis sie diesen widerlichen Pyljow kennenlernte, diesen hochgestochenen Lehrer, der überall Ehrfurcht verbreitet, wenn er Lateinisch spricht oder sein Wissen herumspritzt wie die Feuerwehr ihr Wasser.
    Von da an, vor allem, als sie ›Frau Lehrer‹ geworden war, trug Nelli die Nase so hoch, daß man befürchten mußte, es könne hineinregnen. Im Haus tat sie nur noch wenig, sie half nicht mehr im Magazin, sondern beschäftigte sich mit der sozialen Erziehung der Kinder, hielt Vorträge im großen Saal des Stadtsowjets Blistschenkow, trug bei den Feiern der Oktoberrevolution eine rote Fahne und erklärte ihrem Väterchen, er habe sich von der Idee des Kommunismus weit entfernt, da er so etwas wie ein Kapitalist geworden sei.
    »Geschuftet habe ich dafür!« hatte Babkin sie damals angeschrien. »Ich und dein Mütterchen haben gearbeitet wie drei Stachanows zusammen, nichts ist mir in den Schoß gefallen, krumm sind wir unter der Last der Arbeit geworden! Und du taube Nuß willst mir sagen, was Sozialismus ist? Geh erstmal hin und bring ein Kind zur Welt …«
    Nun stand sie also da am Fußende des Bettes, flackernd beleuchtet von den Kerzen, starrte auf ihr totes Väterchen und begann zu weinen.
    Babkin wappnete sich mit Vorsicht: Wenn die stolze Nelli zu weinen begann, mußte er etwas Schreckliches zu hören bekommen. Sein Tod war kein Grund, um in Tränen auszubrechen, nicht bei Nelli Wadimowna. Zu oft hatte sie an Gräbern verkündet, daß mit der Geburt die Vergänglichkeit des Menschen schon vorprogrammiert sei.
    Laß hören, dachte Babkin, auf alles gefaßt nach dem, was er bisher hatte schlucken müssen. Ziere dich nicht, Töchterchen. Vielleicht sterbe ich wirklich, wenn mein Herz vor lauter Erregung zusammenbricht.
    »O Väterchen«, begann Nelli schluchzend, und das war schon sehr verdächtig. »Da liegst du nun, du guter Mensch, und hast immer nur an das Gute geglaubt. Aber wer kann schon Böses sehen, wenn er ständig zwischen Gurkenfässern und eingesalzenen Fischen lebt? Wir alle haben dich geliebt, auch wenn wir froh sind, daß du uns nun nicht mehr unter deiner Fuchtel hast und wir endlich Ruhe haben vor deinen unflätigen Beschimpfungen! Doch bevor wir die Erde über dich schaufeln, ist noch etwas zu erzählen …«
    Nur zu, dachte Babkin, wieder wütend wie ein ausgebrochener Stier. Nur zu, Nelli! Wenn ich dich eine schimmlige Gurke nannte – war das nicht die reine Wahrheit? Unflätig war ich? Ha, es geschieht dir recht, daß du einen Schwulen zum Mann hast! Laß hören, du kommunistische Posaune …
    »Ich habe Boris Witalowitsch Pyljow, den Lehrer, geheiratet. Aber warum denn nur? Nur, um von zu Hause wegzukommen, wo ich nur putzen und Kartons schleppen, nur die niedrigste Arbeit tun mußte. Und dann kamen auch noch deine Kunden nach hinten ins Lager, diese geilen Esel, und griffen mir unter den Rock. ›Ei, welch strammes Mädchen haben wir denn da‹, sagten sie und leckten sich die Lippen. ›Laß sehen, was du da unterm Leinen versteckst.‹ Ja, so war das, Väterchen, und von all dem hast du keine Ahnung gehabt. Dann sah ich Pyljow, den klugen Lehrer; ganz kurz war er erst in Ulorjansk, kam frisch von der Akademie in Tobolsk. Ich bin zu ihm gegangen, in sein Zimmer,

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