Babkin, unser Väterchen
zusammen, ging dann nach Omsk, und eine solch große Stadt hat tausend Möglichkeiten für ein Mädchen wie Natalja. Zwei Jahre brauchte sie, bis sie als Kellnerin damals im Hotel Sibirsk zur Frau des Parteibeauftragten für Wasserwirtschaft wurde. Auf einer schönen Datscha wohnt sie jetzt, zwei Kinderchen hat sie schon … Nur ein Papierchen hat sie nicht, daß sie Natalja Wadimowna Tschubarjana heißt. In wilder Ehe lebt sie in Omsk. Tschubarjan, sagt sie, ist der Ansicht, daß, wenn man sich erst einmal ausgezogen hat, ein amtliches Papierchen völlig überflüssig ist …«
Ein Hurennest, jammerte Babkin innerlich, und sein Herz krampfte sich zusammen. Meine schöne, glückliche, mustergültige Familie – nichts anderes als ein Hurennest! Nichts stimmt mehr überein mit dem, was ich als mein erfülltes Leben betrachtet habe. Überall Lug und Trug! Eine Lawine aus Heuchelei!
Natalja lebt in einer schönen Datscha bei Omsk? Na ja, schon immer war sie die Schönste von meinen Töchtern, den besten Mann habe ich ihr gegönnt … Zu gern möchte ich diesen Parteisekretär Tschubarjan kennenlernen, meinen Schwiegersohn ohne Trauschein. Zwei Enkelchen hat er mir beschert, der Fleißige … dreifacher Großvater bin ich nun, und alle drei Lieblinge sind Bastarde! O Himmel, welchen Segen hast du über mich geschüttet, aber es sind Tropfen, so schwer, daß sie mich erschlagen können …
Unter fast geschlossenen Lidern hervor sah er Nelli, seine Älteste, an und haßte sie plötzlich, weil sie nicht mehr weinte, sondern auf einmal ziemlich fröhlich war. Nataljas Schicksal zu erzählen, hatte ihr Spaß gemacht.
Man sah es ihr an: So etwas wäre auch das richtige für mich gewesen, stand deutlich lesbar in ihrem Gesicht. Nur zu dumm war ich, von Ulorjansk nach Tobol oder Omsk auszurücken. Statt dessen bin ich an diesen Pyljow geraten, der beim Anblick eines Frauenkörpers Bauchkrämpfe bekommt! Nun bin ich dreißig, noch nicht alt genug, aber zu träge, um Ulorjansk und Pyljow von einer Stunde zur anderen zu verlassen. Bei Sapanow, dem Briefträger, muß ich bleiben und mich bescheiden mit dem, was er hat. Glaub mir, Väterchen, ich bin keine glückliche, zufriedene Frau. Ich schlafe mit meiner Sehnsucht …
»Nun sei Gott mit dir, Väterchen«, sagte Nelli, obwohl sie in ihren Parteireden immer ausrief, es gäbe keinen Gott, und Religion sei eine Manifestation des Unsinns. »Geh friedlich in den Himmel ein. Ärger hast du nun nicht mehr – und wir sind es los, unser beschwertes Gewissen. Rein sind wir alle vor dir, seliger Wadim Igorowitsch …«
Das Kreuz schlug sie über Stirn und Brust, sah Babkin noch einmal mit einem langen Blick an und verließ zufrieden das Sterbezimmer.
Babkin atmete auf. Von außen sah man das nicht, da war er steif wie ein Brett, aber innerlich, da konnte er atmen und spürte die Risse seiner Seele.
Wer kommt nun, dachte er gespannt. Der Nächste, bitte. Nur heran, nur heran … Schüttet euer Herz aus vor dem toten Babkin! Heißt es nicht, der Mensch käme ab und zu wieder auf die Welt? Der Leib verdorre zwar, aber die Seele sei unsterblich? Wenn das stimmt – oh, ihr Lieben alle, lauft weg und verkriecht euch, wenn ich auf die Erde zurückkomme. Fürchterlich werde ich unter euch aufräumen, ihr Schlangenbrut, ihr Mißgeburten einer Ziege! O Gott, mein Gott, schick mich so schnell wie möglich wieder zurück auf diese verworfene Welt!
Er röchelte vor Zorn, natürlich nach außen hin unhörbar, und starrte zur Tür, wer nun wohl als nächster hereinkommen würde.
Man soll es nicht glauben: Der Nachbar war's, Viktor Viktorowitsch Afanasjew, dieser Kretin, von dem Babkin einmal gesagt hatte, er sei eine Kreuzung zwischen Affe und Kröte.
Babkin bekam einen Schrecken, als er Afanasjew eintreten sah, in einem schwarzen Anzug, mit sauberem weißem Hemd und sogar einem schwarzen Schlips. Er sah aus wie ein biederer Genosse und war doch die Abgefeimtheit in Person.
Und wie er dasteht vor dem Bett und sich von den Kerzen bescheinen läßt! Erlöscht, ihr Kerzen … Wo dieser Mensch steht, ist Jaucheduft in der Luft!
Wer Viktor Viktorowitsch kannte – und wer in Ulorjansk kannte ihn nicht? – sprach nur Gutes über ihn. Das war's vor allem, was Babkin auf die Nerven ging: Alle Welt grüßte Afanasjew, als sei er ein Ehrenmann, jeder gab ihm die Hand, ohne sie sich hinterher mit heißem Wasser und harter Bürste abzuschrubben, und wenn man von ihm redete, hieß es nur: Ein braver
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