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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Isaak Guramowitsch. Er ist nicht nur fünf Jahre jünger als du – er kann auch eine ganze Rinderseite auf der Schulter tragen, als sei's ein Häschen. So stark ist er …«
    Babkin hätte laut gestöhnt, wenn er es gekonnt hätte. Isaak Guramowitsch Narinskij, der Nachbar und Metzger – wer kannte ihn nicht in Ulorjansk? Ein Stier von Mensch, rotgesichtig und gutmütig, der zu jeder Kuh »Keine Angst, mein Kleines«, sagte, bevor er sie mit einem einzigen Axthieb auf den Kachelboden schickte.
    Narinskij und Nina – das war mehr, als man ertragen konnte. Aber es blieb Babkin, dem Unglücklichen, keine Zeit, sich länger darüber aufzuregen. Nina Romanowna sprach weiter – und jetzt, nachdem die letzte Scheu gefallen war, beherzter und lauter.
    »Nun ist es so, mein lieber Babkin: Eine heißblütige Frau bin ich. Als wir jung waren, hast du es gewußt, aber je älter du wurdest, um so mehr hast du's vergessen. Was soll man tun, wenn im Körper die Sehnsucht brennt? Wie soll ein armes, vom Ehemann kaum noch beachtetes Weibchen glücklich werden? Mit Jakow Petrowitsch Sapanow habe ich mal darüber gesprochen …«
    Der Briefträger, durchzuckte es Babkin. Hab' ich doch richtig gesehen, vor drei Jahren! Komme ich aus dem Lager, und wer fährt wie zwei ertappte Diebe auseinander? Nina und Jakow. Behaupten, Jakow habe ihr einen Witz ins Ohr geflüstert, und er erzählt ihn auch, einen ganz und gar dämlichen Witz, über den nicht einmal eine Ratte lacht … Wie ahnungslos warst du doch, Babkin, wie blind!
    »Er ist kein schöner Mann, der Jakow Petrowitsch«, plapperte Nina weiter, »nein, das kann niemand von ihm sagen. Eher häßlich ist er, riecht nach billigem Machorka und oft auch nach Fusel. Aber kommt es auf das Äußere an, Babkin? Sapanows Qualitäten erkennt man erst, wenn er …« Sie winkte ab. »Was soll ich's erklären? Er ist ein pockennarbiger, aber fleißiger Mensch …«
    Sie holte tief Atem und putzte sich zum vierten Mal die Nase. Ihr Sommer-Herbst-Schnupfen, dachte Babkin, innerlich taumelnd vor diesem Geständnis. Daß mir das jetzt wieder auffällt! Nach Nellis Geburtstag begann der Schnupfen, immer zum Ende des Sommers, ging dann bis in den Herbst hinein, und so plötzlich, wie er auftauchte, war er auch wieder verschwunden.
    Dr. Poscharskij zuckte nur mit den Schultern, sagte, da könne man nichts machen, das sei eine Allergie, der Satan wisse, woher sie käme, und damit war Schluß. Ein Nichtskönner, dieser Bairam Julianowitsch. Hab ich es nicht immer gesagt? Nichtskönner! Auch bei mir hat er sich geirrt – und nun liege ich tot da!
    »Weißt du eigentlich, Babkin«, sagte Nina Romanowna, »welch ein guter und treuer Mensch Guri Jakowlewitsch Blistschenkow ist? Ein wirklicher Freund, das muß man sagen.«
    Blistschenkow, durchfuhr es Babkin. Der Stadtsowjet. Der mächtigste Mann in Ulorjansk! Ging immer herum mit einer Menschenfressermiene, sprach nicht, sondern knurrte nur, aber wenn es am Tag der Oktoberrevolution hieß: Fahnen heraus, alles versammelt sich auf dem Marktplatz, dann stand er auf dem Rednerpult, konnte plötzlich vernünftig sprechen und erzählte jedes Jahr dasselbe: Alles würde besser, das Volk der Werktätigen werde bald in einem irdischen Paradies leben, Vorbild sein für alle Völker, es lebe Lenin …
    Und dann ging er ins Bürgermeisterhaus, setzte sich an einen Tisch, der sich unter den köstlichen Speisen bog, und fraß und soff bis zum Umfallen.
    Daß Babkin das ›Büfett‹ geliefert hatte, nahm Blistschenkow als selbstverständlich hin. Geliefert natürlich ohne einen Rubel Bezahlung.
    Ein solcher Mensch soll ein guter Mensch sein?
    »Guri Jakowlewitsch hat ein warmes Herz«, unterbrach Nina Babkins Gedanken. »Niemand sieht ihm das an, aber er hat's. Im Winter des vorigen Jahres war's. Erinnere dich – ein schrecklicher Winter. Schnee wie noch nie, zu Bergen war er geweht, das Eis sprengte sogar die Bäume auseinander, nachts klang es wie Kanonenschießen, und halb Ulorjansk lag krank im Bett. Isaak Guramowitsch konnte eine Woche lang nicht schlachten, so arg hatte ihn das Fieber gepackt. Jakow Petrowitsch lag zu Hause und war so schlapp wie ein alter Lederriemen, und du, Babkin, bist hustend herumgelaufen, hast ein Dampfbad nach dem anderen genommen und warst nur noch eine bellende Kreatur. Aber der Genosse Blistschenkow strotzte vor Gesundheit. Weißt du noch? In den Basar kam er, um sich ein wollenes Hemd zu kaufen. Du hast wieder im Dampfbad gesessen,

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