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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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ziemlich bitter. Ich entspannte mich unter den mächtigen Kastanienbäumen des Parks und sog die Weisheiten um mich herum auf. Meine Haare und mein Bart wurden immer länger. Ich veränderte mich. Der Hochschulprofessor verschwand. Ich glich immer mehr den Gestalten im Park. Die abfälligen Blicke der Kollegen für meine neuen Interessen. Was mich erst recht in die Arme der Prediger trieb.
    Als sie mich einluden, an einer Debatte über ethische Grundsätze in der kapitalistischen Marktwirtschaft teilzunehmen, erhob ich mich und gesellte mich wie selbst-verständlich zu ihnen. Erst spät in der Nacht kehrte ich zurück, Energiegeladen wie nach zwei Kannen Kaffee. Es dauerte lange, bis ich Schlaf fand. Ich spürte, dass mir ein neuer Lebensabschnitt bevorstand.
     
    *
     
    „Ich weiß nicht, was du hier im Park suchst. Wir werden uns nur dreckige Schuhe holen.“
    „ Auf der Bank da vorne hat er gesessen.“
    Am Vormittag war ein heftiges Unwetter über die Stadt niedergegangen. Die  aufgeweichten Fußwege glichen einer Schlammwüste. Überall um sie herum tröpfelte es im Blattwerk. Die Luft war dämpfig und roch nach Moder. Verstopfte Gullies waren über die Ufer getreten. Hinter den Wolkenkratzern der Börse kroch die Sonne aus ihrem Wolkenversteck.
    „Der Regen hat die Prediger vertrieben, aber siehst du nicht ihre Hinterlassenschaften?“
    Steve konnte sie gut sehen. Eine wellige Taschenbuchausgabe von Nietzsches Die fröhliche Wissenschaft . Zerknüllte Coladosen. Eine Packung Erdnüsse, halb aufgegessen.
    „ Und wie geht es jetzt weiter?“
    Aber Zack hörte ihn nicht. Er lauschte den Reden des Wächters.
     
    *
     
    „ Wir sind der Garten
    in dem unsere Persönlichkeit wächst
    doch woher kommen die Samen
    wie wird eine Idee geboren?
     
    Gehen wir vom heute aus:
    Nichts
    an unserem Verhalten
    an unseren Einstellungen
    ist selbstverständlich
    wir nehmen zu viel
    als fertig an.
    Für alles
    gab es den ersten Punkt
    den eigentlichen Auslöser
    er ist der Schlüssel
    Schlüssel für Schlüssel
    ein jeder ein Schloss
    der Gitterstäbe unseres Gefängnisses.
     
    Können wir schon Freiheit greifen?
     
    Wir sind Bestandteil der Natur
    auch unser Geist
            die  Geburt 
    ist mit Schmerzen verbunden
    der Ursprung der Idee
    liegt ebenfalls im Schmerz.
    Ein falscher Spruch
    zur rechten Zeit
    ein Fußtritt in die Würde
    leiten die Wehen ein
    und Blut
    lässt sie auf die Welt kommen.
    Ist sie da
    sehen wir sie nicht aufwachsen
    wir hören nur
    was sie wieder angestellt hat.
     
    Wenn sie aufgewachsen ist
    können wir ihr
    ins Gesicht sehen.
    Wenn wir den Mut haben!
     
    Geboren aus Schmerz
    ist die Idee
    der fleischgewordene Schmerz
    es schmerzt ihr Anblick
    sie bereitet Schmerzen
    das ist ihr Lebensinhalt.
     
    Doch nicht gezaudert
    nur im neuen Schmerz
    geht der alte unter
    um endlich
      wiedergeboren zu werden
    um als Erlöser
      den Garten zu hegen.“
     
    Das Publikum war unter meinem Niveau und ich wusste es. Kleingeister, die die schlichten Wahrheiten meiner Thesen nicht aufzunehmen vermochten. Es war Perlen vor die Säue geschmissen. Hausfrauen, die ihre Neugeborenen säugten. Zahnlose alte Männer mit Wassermelonen. Aber jeder hatte einmal klein angefangen. Die Konkurrenz im Park war hart. Gefielen den Leuten deine Ansichten nicht, scharten sie sich um den nächsten Heilsversprecher. Immerhin konnte ich mich auf mein Stammpublikum verlassen, meine Anhänger, die bei jedem Wetter in den Park kamen, um meinen Worten zu lauschen. Wie Jesus und seine Jünger. Stieg es mir zu Kopf? War der Vergleich zu weit hergeholt? Nein! Der Nazarener konnte auf ähnliche Anfänge verweisen. Als Feld-Wald- und Wiesenprediger begann ein jeder. Schieres Glück oder die Popularität ihrer Thesen verhalf ihnen zu einem kurzen Moment des Ruhmes. Wohlwollend nickte ich den Neuankömmlingen zu. Ich wollte meine Rede fortsetzen, als ich ihren Blick auf mir spürte. Meine Haut fing zu kribbeln an. Zwei Jugendliche, nichts besonderes. Warum also war ich so beunruhigt? Sie flackerten wie überbelichtete Fotografien. Als gehörten sie nicht hierher.
    „ Jungs…“
    Wie eine Glühbirne wurden sie immer heller und heller. Bis sie verschwunden waren.
     
    *
     
    „ Verdammt, tut das weh. Meine Augen! Zack, ich bin blind!“
    Sie wanden sich auf dem nassen Gras. Der Wächter war verschwunden. Die Menschenmenge war verschwunden.
    „War das eine Vision oder was? Du hast mich da voll mit rein gezogen.“
    „ Sorry, das

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