BACCARA EXKLUSIV Band 45
noch neugieriger. Sie drehte den Umschlag um. Jemand hatte eine Adresse und eine Telefonnummer auf die Rückseite geschrieben. Warum, in aller Welt, sollte jemand ihr einen Schlüssel geben? Was sollte sie damit aufschließen?
Es gab keine Nachricht, nur die Telefonnummer und eine Adresse in Chevy Chase.
„Zum Kuckuck mit dir, Randall Waters“, flüsterte sie. „Wenn du glaubst, du brauchst nur zu winken, damit ich komme …“
An jenem ersten Tag hatte er mitten auf ihrem staubigen, unkrautüberwucherten Weg gestanden und hatte gepfiffen. Der durchdringende Ton hatte den aufdringlichen Reporter lange genug aufgehalten, damit Randall ihn einholen konnte.
Sie hatte ihn angesehen, seine hellen Augen, sein kantiges Kinn, und etwas war mit ihr geschehen. Und was immer es auch war, es hatte offenbar ihren Verstand beeinträchtigt und jeden Selbsterhaltungstrieb in ihr abgetötet.
Das verschachtelte Steinhaus war zwar groß, aber nicht gerade ein Palast. Das Land selbst, einige Hektar an den Ufern des Wye River, war wahrscheinlich wertvoller als das Gebäude, das in den Siebzigern erbaut worden war. Das Laub der hohen Bäume, die es umgaben, nahm allmählich Herbstfarben an. Es war wirklich ein schöner Ort, musste Sarah zugeben, als sie vor der Garage parkte. Eigentlich hätte sie froh sein müssen, hier wohnen zu dürfen. Sie war nach Stans Tod auch dazu eingeladen worden, aber das hätte nur bedeutet, dass sie sich ständig mit dem Senator in den Haaren gelegen hätte, dessen Vorstellung von der Rolle der Frauen aus dem letzten Jahrhundert stammte.
Als Sarah noch ein Kind war, hatte er nie versucht, sie besser kennenzulernen. Als sie zur Frau heranwuchs, suchte er ihre Partner aus und entledigte sich auf diskrete Weise einiger ihrer engsten Freunde. Aber damals war ihr nicht klar gewesen, warum sie sich entfremdet hatten. Und erst vor Kurzem hatte sie erfahren, dass er ihre Ehe mit dem gewissen vielversprechenden jungen Kongressabgeordneten eingefädelt hatte.
Jetzt war sie Witwe, und er erwartete ohne Zweifel, ihr Leben wieder zu kontrollieren und sie womöglich sogar ein zweites Mal an einen Kandidaten seiner Wahl zu verheiraten. Sarah hatte das ungute Gefühl, dass dieser Kandidat Clive Meadows sein könnte. „Da kann er lange warten“, sagte sie leise vor sich hin.
Ein Mann mittleren Alters kam mit einem Rechen in der Hand hinter der Garage hervor. Ollie arbeitete seit Jahren in der einen oder anderen Eigenschaft für ihren Vater. Der Senator war sehr gut zu jenen wenigen Menschen, denen er vertraute.
„Hi, Ollie. Wie geht es Annamarie?“ Seine Tochter studierte in Annapolis.
„Sie hat sich beim Fußballspielen an der Schulter verletzt, Miss Sarah.“ Er nannte sie Miss Sarah, seit er vor fünfundzwanzig Jahren zu ihrem Vater gekommen war. „Aber sonst geht es ihr sehr gut. Genauso klug wie ihre Mama, Gott hab sie selig.“
„Ich weiß, Ollie. Versperre ich jemandem den Weg, wenn ich den Wagen kurz hier stehen lasse?“
„Lassen Sie die Schlüssel stecken, dann fahr ich ihn weg, wenn’s nötig wird. Der Senator ist hinten auf der Terrasse mit Mr. Meadows.“
Sarah hätte ihm am liebsten gesagt, er solle den Motor laufen lassen, für den Fall, dass sie in aller Eile entwischen musste, aber sie seufzte nur und folgte dem Steinplattenpfad um das Haus herum. Je eher sie herausfand, was vor sich ging, desto eher konnte sie das Problem angehen und sich reinen Gewissens aus dem Staub machen.
Später lag sie auf dem Bett im Gästezimmer, das sie nur selten benutzt hatte, seit ihr Vater das Haus gekauft hatte. Sie dachte über die letzten Stunden nach und versuchte zu verstehen, warum sie hergerufen worden war.
Der Senator hatte ihr gesagt, dass er kürzlich einen Schwächeanfall gehabt hatte, aber es sei nur eine Angina gewesen, sie bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Dieses Mal zumindest nicht, hatte er hinzugefügt. Sarah hatte natürlich die Pose des stoischen Märtyrers wiedererkannt. Dann hatte er ihr mitgeteilt, dass er Medikamente für seinen Blutdruck nahm, der ein wenig zu hoch war. Er nahm auch wegen seines etwas zu hohen Cholesterinspiegels Medikamente, dachte aber gar nicht daran, seine Essensgewohnheiten zu ändern. Ein Teil der Garage war in eine Folterkammer verwandelt worden, wie er sich ausdrückte, und seine Ärzte erwarteten von ihm, dass er sich für den Rest seiner Tage auf diesen verwünschten Maschinen abplagte.
„Was wollen die verflixten Pillendreher von einem Mann
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