Baccara Exklusiv Band 98 - Ebook
Wachmann konnte seine Erleichterung kaum verbergen. Zweifellos hatte er eine hysterische Reaktion erwartet. Nachdem sie zum letzten Mal die Wohnung verlassen hatte, die einmal ihr Zuhause gewesen war, schloss er wieder ab.
Im Foyer strebte Lana wie betäubt dem Ausgang zu. Wohin sie eigentlich wollte, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie unbedingt wegmusste.
„Mrs Whittaker.“ Raffaele Rossellini kam hinter ihr her. „Einen Augenblick.“
Lana blieb stehen, wandte sich jedoch nicht um.
„Wohin wollen Sie?“
„Das braucht Sie nicht zu interessieren.“ Dass dieser Mann miterlebte, wie ihr ganzes Leben in tausend Stücke zerbrach, war schlimm genug. Sie konnte ihm nicht auch noch sagen, dass sie nicht wusste, wohin sie gehen sollte.
„Kyle war mein Freund. Ich bin es ihm schuldig, dass ich mich um Sie kümmere.“ Er nahm ihren Arm und führte sie zum Wagen hinaus. „Kommen Sie, heute Nacht bleiben Sie bei mir im Hotel. Morgen suchen wir noch einmal Ihren Anwalt auf und finden heraus, was los ist.“
Zu Raffaeles Überraschung widersprach sie nicht. Er schob sie in den Fond der Limousine und nahm ihr gegenüber Platz. Wenn er gedacht hatte, am Vorabend habe sie zerbrechlich ausgesehen, dann sah sie jetzt aus, als würde sie beim leisesten Windhauch weggeweht werden.
Er unterdrückte seinen Beschützerinstinkt, der sich Bahn brechen wollte. Schließlich war sie seine erklärte Feindin, weil sie das Glück seiner Schwester zerstört hatte. Er half ihr nur, damit er wusste, wo sie zu finden war. Je mehr sie in seiner Schuld stand, desto leichter würde es sein, wenn er letztendlich Rache an ihr nahm. Und doch hatte sie etwas so Verletzliches an sich, dass er es einfach nicht ignorieren konnte.
Als er im Hotel mit ihr in seine Suite hinauffuhr, sagte sie kein Wort. Während er dann den Zimmerservice anrief, sank sie auf das voluminöse Sofa und wirkte darauf fast so verloren wie ein Kind. Kein Vergleich zu der kühlen, selbstsicheren Frau, die ihn am Vorabend in ihrem Apartment begrüßt hatte.
Kyles Gläubiger hatten schnell reagiert, nachdem die Zeitungen die Nachricht von seinem Tod verbreitet hatten, und das war alles ihre Schuld. Wenn sein Freund nicht gezwungen gewesen wäre, zwei Wohnungen zu unterhalten und ein Doppelleben zu führen – mit zwei Frauen –, dann wäre Kyle heute nicht tot, und Marias Leben würde nicht am seidenen Faden hängen.
Raffaele ließ seinem Ärger, der wie ein Haufen glühender Kohlen in ihm glimmte, freien Lauf. Lana Whittaker würde dafür bezahlen.
Es klingelte an der Tür. Wenigstens der Zimmerservice kam prompt. Raffaele trat beiseite, als die beiden Hotelangestellten den Servierwagen hereinschoben und alles auf den Tisch stellten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Lana den Kopf hob, als er den Zimmerkellnern ein großzügiges Trinkgeld gab. Geld. Sie konnte es vermutlich auf zwanzig Schritt Entfernung riechen.
„Kommen Sie, essen Sie etwas.“ Raffaele rückte ihr einen Stuhl zurecht.
„Danke, aber ich glaube nicht, dass ich einen Bissen hinunter bekomme.“ Sie sprach sehr leise.
„Es war ein schwerer Tag. Sie müssen etwas essen.“ Er gab eine Portion Fettuccine mit Meeresfrüchten auf ihren Teller. „Probieren Sie, es schmeckt fast so gut wie von meiner mamma .“
„Ihre Mutter hat für Sie gekocht?“
„Immer. Ihre nicht?“
„Nein. Wir hatten Personal.“
Personal. Das passte. Lebensmittel auf dem Markt einzukaufen und nach Hause zu schleppen war nichts für sie. Auch nicht, voller Mehl zu sein, wenn man Nudeln selbst machte, und das in einer lauten Küche, in der zwar das reinste Chaos herrschte, es jedoch appetitlich duftete. Seine Mutter hatte dafür gesorgt, dass ihre drei Kinder genauso tüchtig in der Küche waren wie sie selbst. Das war ihnen in den harten Jahren zugutegekommen, als die Geschäfte ihres Mannes immer schlechter gingen. Es war eine schwierige Zeit, die zum frühen Tod seines Vaters führte und ihn, Raffaele, dazu getrieben hatte, erfolgreich zu sein. Er war entschlossen gewesen, seine Mutter für die Entbehrungen, die sie hatte hinnehmen müssen, zu entschädigen. Und er hatte es geschafft – mit Ausnahme des letzten Versprechens, das er ihr gegeben hatte: auf Maria aufzupassen. Da hatte er gründlich versagt.
Die cremige Soße mit den Meeresfrüchten hatte plötzlich einen bitteren Beigeschmack, und er legte die Gabel beiseite und griff nach seinem Weinglas.
Lana aß wenig, doch in ihre Wangen war etwas Farbe
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