Baccara Exklusiv Band 98 - Ebook
kühle Blondine in Schwarz den wiederholten Bitten ihres Mannes, ihn freizugeben, nachgegeben hätte? Wenn sie ihn vor der Geburt eines Kindes, das nun weder Vater noch Mutter haben würde, hätte gehen lassen?
Erneut von tiefem Schmerz überwältigt, seufzte er auf.
Er war hergekommen, um dem Mann, den seine Schwester geliebt hatte, die letzte Ehre zu erweisen. Einem Mann, mit dem er geschäftlich zu tun gehabt hatte und den er als Freund betrachtete. Bald würde er, Raffaele, wieder am Bett seiner Schwester sitzen. Obwohl sie vermutlich nicht merkte, dass er bei ihr war.
Die lebenserhaltenden Maßnahmen würden nach der Geburt des Kindes eingestellt werden. Die Ärzte hofften, diese Geburt so lange wie möglich hinauszögern zu können, damit das Kind weiter wuchs. Raffaele fand die Argumentation, dass ein ungeborenes Leben nicht unnötig aufgegeben werden sollte, schrecklich. Seine jüngere Schwester war ein so lebensfroher Mensch gewesen. Und dass sie nicht in Würde sterben durfte, ehe ihr Kind geboren war, war eine grausame Vorstellung für ihn.
Er versuchte sich einzureden, dass sie es genau so gewollt hätte – sie hatte sich so sehr auf ihr Baby gefreut –, doch dieser Gedanke milderte nicht seine Verzweiflung darüber, dass sie bereits gegangen war. Anwesend und doch nicht da. Am Leben und doch nicht mehr lebendig.
Raffaele sah zu der blonden Frau hinüber, die er nur vom Hörensagen kannte. Die Witwe des Mannes, der eben zur letzten Ruhe gebettet worden war. Wie versteinert stand sie am Grab, ohne dass eine einzige Träne über ihr blasses Gesicht gelaufen wäre. Selbst jetzt, nachdem die anderen Trauergäste gegangen waren, zeigte sie keinerlei Trauer.
Seine Wut wurde von Bitterkeit verdrängt. Er hatte das Versprechen, das er vor Jahren seiner sterbenden Mutter gegeben hatte, gebrochen. Er hatte seine kleine Schwester nicht beschützt. Nun war es zu spät, den Schaden zu beheben, der durch seine Nachsichtigkeit Marias Launen gegenüber entstanden war.
Als er ihre Affäre mit einem verheirateten Mann entdeckt hatte, hätte er gleich einschreiten sollen, auch wenn es vermutlich unmöglich gewesen wäre, seine dickköpfige Schwester zu bremsen. Doch er hätte etwas unternehmen sollen, damit sich ihr Traum, den Vater ihres Kindes zu heiraten, erfüllte. Er hätte mit Lana Whittaker sprechen und sie mittels seiner Autorität irgendwie dazu bringen sollen, dem Wunsch ihres Mannes nach einer Trennung zuzustimmen.
Zu spät. Es war zu spät.
Der Anblick des leblosen Körpers seiner Schwester, in dem ein neues Leben heranwuchs, war unauslöschlich in seinem Gedächtnis eingebrannt. Ja, er hatte versagt, Maria zu beschützen, aber bei ihrem ungeborenen Kind würde er nicht versagen.
Raffaele Rossellini machte den gleichen Fehler nie zweimal.
Das Kind würde wie sein eigenes aufwachsen. Das hatte er Maria versprochen. Ihr Sohn oder ihre Tochter würde innig geliebt werden und rechtzeitig alles über seine oder ihre Mutter erfahren, damit die Erinnerung an sie nicht verblasste.
Ungeweinte Tränen brannten Raffaele in den Augen, als er den Rücken der Frau am Grab fixierte.
Noch einmal würde er nicht versagen.
Er kämpfte gegen seinen tiefen Schmerz an. Auf die eine oder andere Art und Weise, so schwor er sich, würde Lana Whittaker seinen Zorn zu spüren bekommen. Er würde sie büßen lassen – für Marias Leid, die verzweifelten Anrufe, die er zu Hause in Italien erhalten hatte, als feststand, dass sie schwanger war, und sie erkannte, dass Kyle sie nicht vor der Geburt ihres Kindes würde heiraten können.
Lana Whittaker würde am eigenen Leib erfahren, was Bedauern hieß. Sie würde selbst erleben, was Verlust bedeutete.
Lana fröstelte in ihrem durchnässten schwarzen Wollmantel und war sich einmal mehr des hochgewachsenen dunkelhaarigen Fremden bewusst, der während des kurzen Begräbnisses etwas abseits von den Trauergästen gestanden hatte und sie jetzt, da die Trauerfeier beendet war, noch immer fixierte.
Wer war er?
Sie wagte nicht, sich zu ihm umzudrehen. Hoffentlich war er kein Paparazzo, denn es hätte ihr gerade noch gefehlt, ihr Foto in der Boulevardpresse zu entdecken. Die Umstände des Todes ihres Mannes würden früh genug bekannt werden.
Wie hatte Kyle ihnen das nur antun können? Wie hatte er ihr das antun können? Wieso hatte sie nicht geahnt – nicht gewusst –, dass er eine Affäre hatte? Sie versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, ob es irgendein Anzeichen dafür
Weitere Kostenlose Bücher