Baccara Exklusiv Band 98
haben.
„Es war in den Tagen vor Weihnachten. Kurt Mayors Vater hatte Kurt und mich in die Stadt mitgenommen. Im Kaufhaus hatten sie einen Weihnachtsmann für die Kinder engagiert. Jedes Kind durfte ihm einen Wunsch ins Ohr flüstern. Ich bin bei dem Weihnachtsmann auf den Schoß geklettert und habe ihm erzählt, dass ich endlich meinen Dad kennenlernen und wissen wollte, wer er ist. Meine Mutter hatte mir immer erzählt, ich hätte keinen Dad mehr. Aber das wollte ich nicht glauben. Ich hatte mir als kleiner Kerl in den Kopf gesetzt, dass mein Dad bestimmt irgendwo war, dass ich ihn nur finden musste, um endlich genau so einen großartigen Daddy zu haben wie Kurt.“
Lilly war wie angewurzelt stehen geblieben. Sie hielt den Atem an, während Nick weitererzählte.
„Und dann tauchte dieser Mann plötzlich bei uns auf – Joe Stubing. Ich werde diesen Namen in meinem Leben nicht vergessen. Er war groß und hatte dunkles Haar und blaue Augen wie ich. Du kannst dir denken, was in mir vorging, als ich ihn das erste Mal sah.“ Nick drehte sich um.
„Du dachtest, er wäre dein Vater.“ Lilly brachte die Worte kaum heraus.
„Natürlich. Ich dachte, der Weihnachtsmann hätte mir meinen Wunsch erfüllt. Also nannte ich ihn in meiner kindlichen Einfalt ‚Daddy‘. Ich lief zu ihm hin und war für diese paar Sekunden der glücklichste kleine Junge der Welt.“
Lilly schluckte hart.
„Der Typ stieß mich weg und fauchte mich an, ich solle mich zum Teufel scheren, er wolle mit einem dreckigen, kleinen Bastard wie mir nichts zu tun haben.“ Nach einer Pause, in der seine Gedanken meilenweit weg zu sein schienen, während Lilly ihn entsetzt anstarrte, fuhr Nick fort: „Das war noch nicht alles. Meine Mutter, die vermutlich Angst hatte, ich könnte ihre famose neue Eroberung vergraulen, stimmte in das Gezeter ein und verlangte mir sogar, ich sollte mich bei unserem Gast entschuldigen. Von diesem Moment an habe ich meinen Glauben an den Weihnachtsmann verloren. Nach meinem Vater habe ich nie wieder gefragt.“
Lilly war bei ihm. Sie legte ihre Arme um ihn und lehnte den Kopf an seine Brust. Sie konnte fast körperlich spüren, wie es in ihm arbeitete und wie er versuchte, seine Regungen zu unterdrücken. Entwaffnet von seiner Erzählung und der Freimütigkeit, mit der er sich ihr anvertraut hatte, schloss sie die Augen, legte den Kopf zurück und bot ihm ihren Mund.
Sein Kuss war zärtlich und ungestüm zugleich. Aber bald schon löste er sich von ihren Lippen. „Wir werden schon einen Weg finden, wie wir miteinander zurechtkommen“, sagte er versöhnlich. „Vielleicht kannst du jetzt ein bisschen besser nachvollziehen, warum sich alles in mir sträubt, dass mein Kind ohne eine intakte Familie aufwächst.“
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, machte er sich aus ihrer Umarmung frei und verließ schnellen Schritts das Wohnzimmer.
Es dauerte ein Weilchen, bis sich Lilly sich von ihrer Verblüffung erholt hatte. Ihr Blick schweifte durch den Raum und fiel auf den Ring, der noch immer dort lag, wo er auf den Teppich gefallen war. Sie ging hin und hob ihn auf. Während sie ihn aufmerksam betrachtete, fuhr sie mit den Fingerspitzen über die Fassung des einzigartigen Steins.
Ihre Gedanken waren jedoch bei dem anderen Ring, bei dem schlichten, schmalen Goldreif, der zu diesem hier gehörte und der das eigentliche Symbol für die folgenschwere Entscheidung war, vor der sie stand.
Jahre hatte sie gebraucht, um Aaron zu vergessen und bis vor Kurzem war sie der Überzeugung gewesen, dass ihr das auch ganz gut gelungen war. Was sie jetzt durchmachte, zeigte ihr jedoch unmissverständlich das Gegenteil. Die Jahre, die Demütigungen waren keineswegs ausgelöscht. Die Wunden waren nicht einmal richtig vernarbt. Unbarmherzig hatte Nick sie darauf gestoßen und ihr deutlich gemacht, dass es nur zwei Möglichkeiten gab: entweder weiter vor ihrer Vergangenheit davonzulaufen oder zu versuchen, sie wirklich zu überwinden, indem man sich seiner Zukunft stellte.
Für Nick selbst sah es nicht anders aus. Lilly stand immer noch unter dem Eindruck seiner Erzählung. Mit aller Macht hatte er jede Äußerung eines Gefühls bei seinem Bericht unterdrückt. Bei dem, was er erlebt hat, war das gewiss kein leichtes Unterfangen. Lilly fragte sich, was an Enttäuschung und Verbitterung wohl noch in ihm schlummerte.
Nick war ein Kämpfer. Das war nicht zu übersehen. Was blieb ihm schließlich anderes übrig, als zu kämpfen? Trotzdem, sagte
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