Baccara Exklusiv Band 98
erlebt, wie sie sie während ihrer Ehe nur oberflächlich kennengelernt hatte. Jeden Morgen mit ihm aufzuwachen wäre wunderbar. Hoffnungsvoll sah sie ihn an. Könnte es vielleicht sogar auf Dauer so sein? Sie waren sich unter den widrigsten Umständen begegnet, aber jetzt waren sie ein Liebespaar. Forschend betrachtete sie sein Gesicht, ehe sie ihm wieder in die grauen Augen schaute.
„Bist du sicher?“
„Ich würde es nicht vorschlagen, wenn ich es nicht wäre.“
„Dann ja. Ja, ich werde meine Sachen heute in dein Schlafzimmer bringen.“
Er lächelte. „Perfetto.“ Er wollte noch etwas sagen, wurde jedoch vom Läuten des Telefons auf dem Flur unterbrochen. Nach einem flüchtigen Kuss eilte er nackt, wie er war, hinaus, um den Anruf anzunehmen. Kurz darauf kam er zurück. Sein Gesicht hatte einen ernsten Ausdruck angenommen.
„Was ist? Maria?“
„Ihr Zustand verschlechtert sich. Die Ärzte haben entschieden, das Baby heute Vormittag per Kaiserschnitt zu holen. Ich werde so schnell wie möglich ins Hospital fahren.“
„Ich komme mit.“ Lana sprang aus dem Bett und suchte nach etwas zum Anziehen.
„Nein!“
Lana hielt inne und ging zu Raffaele hinüber. „Raffaele, du brauchst heute jemanden an deiner Seite. Was auch immer passiert, ich will bei dir sein.“
Raffaele sah ihr in die Augen und fand darin zu seiner allergrößten Überraschung zum ersten Mal Trost. Sosehr es ihn ärgerte, es zuzugeben, er wollte, dass sie bei ihm war. Nein, er brauchte sie. Tief im Inneren gestand er sich ein, dass sie ihm die Stütze sein würde, die er plötzlich dringend brauchte. Er versuchte, sich darüber klar zu werden, wann genau er aufgehört hatte, Lana als seine Feindin zu betrachten, und angefangen hatte, sie als etwas anderes zu sehen, nicht nur als Zielscheibe für seine Rache am Unglück seiner Familie. Er konnte sich nicht erinnern.
Er nahm ihre Hand und küsste die Handfläche. „ Grazie . Sei in zehn Minuten startbereit.“
Lana wartete in der Halle auf ihn, als er die Treppe heruntergeeilt kam. Die Fahrt ins Krankenhaus verging wie im Flug, genau wie die folgenden Tage.
Baby Bella war eine Kämpferin und genauso bildschön wie ihre Mutter. Maria hielt mit einer Hartnäckigkeit am Leben fest, die selbst die Ärzte erstaunte. Ihre lebenserhaltenden Maßnahmen waren am Tag nach der Geburt eingestellt worden, und Raffaele hatte jede Minute am Bett seiner Schwester verbracht. Bella war seit vier Tagen auf der Welt, und Maria atmete noch immer. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass es keine Hoffnung auf Genesung gab, weil ihre Gehirntätigkeit gleich null war, doch irgendetwas hielt sie am Leben. Egal wie lange das dauerte, er würde bei ihr bleiben.
Nur mit Mühe hielt Raffaele die Augen offen. Er lebte praktisch im Krankenhaus, während Lana abends immer zur Villa hinausfuhr – und ihm täglich frische Kleidung mitbrachte. Er verwehrte ihr den Zutritt zu Marias Zimmer und spürte, dass sie seine Zurückweisung schmerzte, aber er wusste, dass sie jeden Tag bei Bella auf der Frühgeborenenstation war.
Sie waren gewarnt worden, dass die Kleine nicht zu viel Aufhebens vertragen konnte, dass es Stress für ihren zarten Körper bedeuten konnte, da sie ja eigentlich noch gar nicht auf der Welt sein sollte. Aber die Schwestern sagten, Lana würde das kleine Mädchen in seinem Brutkasten nur stundenlang schweigend betrachten und dann leise wieder gehen, nur um das Ganze am nächsten Tag zu wiederholen.
Sie sah mitgenommen aus. Raffaele war bewusst, dass er selbst kaum besser aussah. Heute würde er ihr vorschlagen, ein paar Tage zu Hause zu bleiben. Sie brauchte sich nicht völlig zu verausgaben. Er konnte sowohl Bella als auch Maria besuchen.
Voller Sorge, dass sich ihr Zustand plötzlich verschlechtern könnte, verabschiedete er sich für eine Weile von seiner Schwester. Aber er musste zu Lana gehen, um sie zur Vernunft zu bringen, damit sie nicht mehr ins Krankenhaus kam, bis sie sich gründlich ausgeruht hatte.
Wenig später betrat er die Station für die Frühgeborenen. Er nickte den diensthabenden Schwestern zu. Lana war nirgends zu sehen, doch eine Bewegung weiter hinten im Flur erregte seine Aufmerksamkeit.
Er beobachtete, wie sie zur Station zurückkehrte, ohne dass sie ihn bemerkt hätte. Ihre tiefe Erschöpfung war ihr deutlich anzumerken.
Unversehens brach sich sein Beschützerinstinkt mit aller Macht Bahn. Sie musste nach Hause fahren, sich ausruhen. Er trat auf sie zu und sah,
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