BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
gesagt.
»Dann versuch es«, hatte Heaven geantwortet, und Rahel hatte nur genickt, ganz und gar ernsten Gesichtes.
Sie hatte sich auf dem Bett niedergelassen, die schmalen Beine überkreuz, und dann war lange Zeit nichts geschehen. Heaven war schon im Begriff gewesen, das Mädchen aus seinem tranceartigen Zustand, in den es sich selbst versetzt hatte, zu holen, als Rahel schließlich doch eine Regung gezeigt hatte.
Erst stumm, dann wispernd hatten sich ihre schmalen Lippen bewegt. Immer wieder war sie verstummt, als lausche sie einer Antwort, die nur ihr Ohr erreichte. Ein regelrechter Dialog hatte sich in der Folge entsponnen, bizarr und unheimlich für Heaven, weil sie zum einen nichts von dem verstand, was Rahel sagte, und die Erwiderungen aus dem Nichts überhaupt nicht zu hören imstande war.
Trotzdem konnte sie sich der Faszination des Geschehens nicht entziehen. Wie gebannt beobachtete sie Rahel und den Fremden, der ihr doch so viel bedeutete, dass der bloße Anblick seiner leblosen Gestalt ihr im Herzen wehtat, und wurde nicht müde, verstehen zu wollen, was zwischen beiden gesprochen wurde.
Dass Rahel ihr nicht nur etwas vorspielte, davon war Heaven überzeugt. Sie konnte spüren, dass etwas Besonderes, etwas Unerklärliches vorging; es war, als berühre etwas wie ein steter kalter Hauch ihre nackte Haut, der nichts mit der Zugluft zu tun hatte, die durch die Fensterritzen hereindrang.
Und dann war es vorbei. So plötzlich, wie es begonnen hatte.
Rahel setzte sich auf, räusperte sich und wandte sich zu Heaven um. Ein süßes Lächeln lag auf ihrem kleinen Gesicht, und der Ausdruck ihrer Miene stand für Zuversicht.
»Er ist nicht tot«, sagte das Mädchen.
»Woher weißt du das?«, erwiderte Heaven wie von selbst. »Ich meine –« Ihr fehlten die rechten Worte. Sie schaffte es nicht, sich so rasch aus dem Bann des Ereignisses zu lösen, dessen Zeuge sie über Stunden gewesen war. Ihr war, als verklebe Spinngewebe ihre Gedanken, und es dauerte Sekunden, sich davon zu befreien.
»Ich konnte mit ihm sprechen«, bestätigte Rahel, was Heaven ohnedies schon ahnte.
»Was hat er gesagt?«, wollte Heaven wissen. »Worüber habt ihr gesprochen?«
»Über vieles«, antwortete das Kind. »Er hat so viel zu erzählen, dass ein ganzer Tag nicht genügen würde, um es zu hören.«
»Aber –«
Heaven unterbrach sich selbst. Ein Geräusch hatte sie irritiert. Sie wandte den Kopf zur Tür, lauschte – hörte Schritte, die näher kamen.
»Das Seltsamste war«, fuhr Rahel derweil fort, »dass er nicht von hier aus mit mir sprach –«, sie berührte den reglosen Körper des Mannes mit dem Finger, »– sondern von...«
Heaven erfuhr nicht, von wo aus der Fremde mit dem Kind gesprochen hatte –
– denn die Tür zum Flur flog auf!
Und Gershom Chaim stürmte die Kammer wie ein Rachegott!
Versonnen strich David Chaim über die samtene Haut des Pfirsichs.
Fast wie die ihre
, dachte er, den Blick zur Decke des elterlichen Ladens gehoben.
Dann biss er in die Frucht. Süßer Saft lief ihm aus den Mundwinkeln. Das Aroma stieg ihm in die Nase, und auch dieser Duft erinnerte ihn an
sie
.
Wie alles in den Tagen, seit
es
geschehen war. Seit
sie
ihn zum Mann hatte werden lassen.
Hätte er sich doch nur ihres Namens entsinnen können...
Aber er kam nicht darauf, wie er so manches in Gedanken nicht recht greifen konnte, als gehorche ihm seine Erinnerung nicht mehr wie früher.
Sie selbst aber hatte er nicht vergessen. Konnte er nicht vergessen. Zu großartig war, was sie ihn hatte tun lassen – und was sie mit ihm getan hatte.
Und auch Vater würde es nie vergessen. Aus ganz anderem Grunde aber... Er hielt es für Sünde, was da geschehen war. Er hasste sie dafür. Und ein kleines bisschen wohl auch seinen Sohn... Aber – konnte so etwas Wunderbares Sünde sein? War es nicht vielmehr das Schönste auf Erden? Liebe vielleicht?
Nun, von David Chaims Seite aus gewiß.
Von ihrer aber...? Eher nicht. Eine Frau wie sie würde sich niemals in einen Jungen seines Alters verlieben. Zudem sie ganz offensichtlich für einen anderen in Liebe entflammt war. Auch wenn der wie tot schien und sich nicht geregt hatte, seit sie beide in das Haus seiner Eltern gekommen waren...
Um sich abzulenken (denn schon brannte ihm wieder dieses Feuer in den Lenden), begann David damit, ein paar Obst- und Gemüsekisten hin und her zu rücken und die Ware nach Frische anzuordnen: Früchte, die in den nächsten Tagen verderben
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