BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
außerhalb. Ein Mensch hätte ohne künstliche Lichtquelle nur noch kompakte Schwärze um sich herum wahrgenommen.
Glücklicherweise bin ich kein Mensch,
dachte Sardon sarkastisch.
Die Begierde, die jedem Vampir vertraut war, die ihn geißelte, aber auch am Leben erhielt, schwoll in ihm an wie eine stetig lauter werdende, bittersüße Melodie...
England, Salisbury Plains
Morgan McDermott kannte keine Angst mehr. Die grauenhaften Ereignisse nur weniger Stunden hatten genügt, um die emotionale Bedeutung dieses Wortes aus dem Bewusstsein des Farmers zu tilgen.
Wohl hatte McDermott noch am eigenen Leibe erlebt, wie gewöhnliche Angst sich steigern und schließlich die Grenze zu panischem Entsetzen erreichen konnte. In dem Moment aber, da sein Empfinden über diese imaginäre Scheide hinausgegangen war, hatte etwas in ihm kurzerhand abgeschaltet; als seien die Sicherungen seiner Psyche durchgebrannt.
Und der Vergleich mochte nicht einmal zu weit hergeholt sein...
Dennoch war Morgan McDermott noch klar zu denken imstande. Auf einer ganz tiefen Ebene seines Unterbewusstseins hatten seine Gedanken Zuflucht gefunden, auf so engem Raum aber, dass nur Platz für das Wesentliche blieb. McDermotts Unterbewusstsein behalf (und schützte) sich damit, alles Furchtbare von der Situation gleichsam abzuspalten und außen vor zu lassen.
Sein Denken beschränkte sich mithin auf den reinen Wunsch zu überleben, und so sann er darüber nach, wie dieser Wunsch Wirklichkeit werden könnte. Einen Weg indes fand er nicht...
Dafür aber vermochte er zu rekapitulieren, was geschehen war in diesen wenigen Stunden, seit
es
begonnen hatte.
Es
– die Besetzung seines Gehöftes, das nahe Stonehenge lag, bis zum heutigen Tage einsam, fernab der Straßen, fast abgeschieden von der Welt.
An diesem Morgen aber hatten die McDermotts Besuch bekommen, den ersten seit Jahren – und in einer Zahl, die alle bisherigen Gäste zusammengenommen weit übertraf!
Über
dreihundert
Menschen waren es, die im Morgengrauen den Hof gewissermaßen erobert hatten, obschon diese Inbesitznahme gewaltlos vonstattengegangen war. Zu diesem Moment war noch kein Blut geflossen. Aber der Moment war vergangen, und die Dinge hatten ihren Lauf genommen.
Furchtbare Dinge, die Morgan McDermott sich nie hätte ausmalen mögen oder können. Nun hatte er sie mit eigenen Augen ansehen müssen. Und jetzt, nur wenig später, konnte er sich ihrer erinnern, ganz nüchtern, weil das Entsetzen, das ihnen anhing, ihn nicht mehr zu berühren vermochte. Es war, als sei er resistent geworden gegen solches Empfinden, als liege ein Panzer aus Eis um sein Denken, den die ebenso kalten Finger des Grauens nicht durchdringen konnten.
Selma, seine Frau, besaß diesen Schutz ganz offensichtlich nicht. An ihrem Geist zerrte das Entsetzen noch immer mit unverminderter Kraft, obwohl es ihn doch längst schon in Stücke gerissen haben musste.
Morgan McDermott erkannte in ihr kaum mehr die Frau, die seit so vielen Jahren an seiner Seite ein zwar schlichtes, aber gutes Leben geführt hatte. Ein wimmerndes Bündel Mensch war sie nur mehr, geifernd und greinend kauerte sie in einer Ecke ihres Schlafzimmers, in das sie sich zurückgezogen hatten.
McDermott betrachtete Selma so emotionslos, als sei sie eine völlig Fremde – weniger noch, nicht einmal mehr ein menschliches Wesen, dessen erbärmlicher Anblick kein Mitleid in ihm zu wecken verstand.
Sie hatte den Tod ihrer beiden Kinder nicht verwunden, war im buchstäblichen Sinne an Leib und Seele daran zerbrochen, deren Sterben und weiteres Schicksal mit ansehen zu müssen.
Morgan McDermott dachte an Sohn und Tochter wie an zwei namenlose Unbekannte, von deren Ableben er lediglich gehört und das sich weit entfernt zugetragen hatte. Dass auch er von ihrem Mörder gezwungen worden war, es zu bezeugen – diese Erinnerung war von barmherziger Hand aus seinem Kopf gelöscht worden.
Dass die Tür geöffnet wurde, merkte McDermott erst, als ein Windzug sein Gesicht fächelte. Dennoch blickte er nicht gleich auf. Erst als Schritte sich dem Stuhl näherten, auf dem er seit Stunden reglos saß, hob er den Kopf – und sah ein Lächeln, das ihm zu jeder anderen Zeit freundlich erschienen wäre. Nicht aber jetzt, und nicht im Gesicht dieses Mannes!
Das Grauen wollte sich endlich doch Bahn brechen, um Morgan McDermotts Denken zu fluten und alle restliche Besinnung zu ertränken. Aber irgendetwas verhinderte es im allerletzten Moment. Der keimende
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