BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Inhalt des Kelchs förmlich hinunterstürzte.
Die Dämonen, die in dir nagen, nährt dies eher, als dass es sie vertreibt,
dachte Dakaris. Aber er schwieg. Und wartete, dass Minos auf den Grund der Einladung zu sprechen kam.
Sie traten bis an die kunstvoll verzierte Balustrade und schauten in den dunklen Abgrund, in dem die brandenden Wellen nur zu ahnen und zu hören waren. Wenn Dakaris nach links blickte, konnte er am Palast vorbei die Ausläufer der Stadt Knossos sehen. Das Zentrum des kretischen Reiches. In dem die Unzufriedenheit wie ein Geschwür wucherte. Und wo sich geheimer Widerstand gegen den König formierte. Tagtäglich wurden Schmierereien an Mauern und auf dem Straßenpflaster entdeckt. Hassparolen, die zum Aufstand gegen den ungeliebten Herrscher anstachelten.
Noch standen die Armeen und ihre Befehlshaber fest hinter Minos. Wie lange dies noch so bleiben würde, verrieten auch Dakaris' Zukunftsschauen nicht.
»Heute musste ein öffentlicher Brunnen versiegelt werden, weil sich tote Kröten in den Eimern befanden, die man heraufzog. Das Wasser, das man Tieren zu trinken gab, war vergiftet. Sie starben elendig«, sagte Minos. Er stand ganz nah neben Dakaris und strahlte Kälte aus wie ein Eisklotz. »Gestern raffte eine unbekannte Krankheit den gesamten Viehbestand des größten Bauern hinweg, der in meinem Reich lebt. Und vorgestern...«
»Ihr glaubt, all diese Ereignisse und das, was vor sieben Tagen begann, hängen zusammen?«, Dakaris stellte seinen Becher ab und legte beide Handflächen auf das raue Geländer aus Stein.
»Das glaube ich, ja.«
»Aber –«
»Jede Missgeburt eine Plage«, sagte Minos. »Ich kann sie dir alle aufzählen, wenn es dich interessiert.«
»Natürlich interessiert es mich, aber –«
»Was ich dir sagen will, und warum ich dich von deiner Arbeit fortrufen ließ, ist dies«, sagte der König. »Ich kann und will die Frist, die ich dir einräumte, nicht mehr gutheißen. Zwanzig Missgeburten bedeuten zwanzig damit einhergehende Plagen, Missernten, was auch immer...! Mein Volk hat viel erduldet unter meiner Ägide. Aber es verzeiht nicht mehr alles. Die Spitzel, die sich in meinem Auftrag unter die Leute gemischt haben, berichten von stündlich wachsender Unzufriedenheit, von kleinen Ausbrüchen der Wut, die sich im Handumdrehen in einen Sturm ausweiten können! – Nein, ich breche ungern mein Wort, aber es gibt keinen anderen Weg. Ich habe lange nachgedacht und mit jedem gesprochen, von dem ich mir Rat versprach. Nun habe ich eine unumstößliche Entscheidung gefällt. Und ich wäre sehr froh, wenn du sie unterstützen würdest.«
»Ihr wollt die Zeichen verbrennen lassen?«
»Zeichen?«, Minos hob die Brauen.
»Es sind Zeichen. Warnungen. Ich muss sie nur entschlüsseln. Dann...«
»Dann?«
»... hören sie vielleicht auf.«
Minos nickte, als hätte er nie eine Garantie, sondern nur eben dieses »Vielleicht« erwartet. »Die Ratschlüsse der Götter sind unergründlich«, sagte er, so leise, dass Dakaris es kaum verstand. Der Blick des Königs war ins Schwarz des Himmels gerichtet. In die Endlosigkeit und Ewigkeit, die dort zu Hause war. »Vielleicht kann ich tun und wagen, was ich will, und es ändert ohnehin nichts mehr. Zeus, der Göttervater, mag sich von mir abgewandt haben und mich nie mehr in Gnade aufnehmen. Dann ist das Ende gekommen. Das Ende meiner Herrschaft. – Damit muss und werde ich mich auseinandersetzen. Und wenn nur mein Tod die Lähmung, den Hass und die Krankheit aus den Herzen meines Volkes nehmen kann, dann will ich auch diesen Tribut leisten... Doch letzte Nacht –«
Minos stockte.
Dakaris glaubte Tränen auf den Wangen des Königs zu erkennen, aber das Sternenlicht mochte täuschen. Die Stimme jedenfalls schwankte nicht, als er den Faden wieder aufnahm und weiterspann: »Doch letzte Nacht hatte ich einen Traum, der mehr war als bloßes Hirngespinst. Eine Stimme sprach zu mir in dem süßesten Ton, den ich je gehört habe. Von ihr fühlte ich mich seit einer unglaublich langen Zeit zum ersten Mal wieder verstanden und ehrlich bedauert. Sie gab mir einen Rat zur Hand, wie ich den Fluch, der auf mir lastet, vielleicht doch noch besiegen kann.«
Seltsam berührt fragte Dakaris: »Was schlug die Stimme vor?«
»Sie erzählte von einem geheimnisvollen Volk, das jenseits des Nordwinds auf einer Insel wohnt. Die Stimme hieß die Angehörigen dieses mächtigen Volkes Hyperboreer. Ihre Götter haben Namen wie
Bran
oder
Belinus
. Bäume
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