BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Herz, die Frage seines Königs nicht bejahen zu können. »Ich weiß noch zu wenig«, wich er aus. »Gebt mir Zeit. Stellt mir Ärzte und andere Gelehrte zur Seite. Gemeinsam werden wir vielleicht eine Erklärung dafür finden. Und einen Weg, es zu stoppen –
falls
es weitergeht.«
»Es wird. Es wird nicht mehr enden, bis
ich
mein Ende gefunden habe! Aber warum? Ich wurde betrogen. Alles, was ich tat, war der Schmach zu begegnen, die man mir zufügte! Ich verstehe es nicht. Ich begreife es wirklich nicht...«
Er wandte sich ab.
Und wie ein verwirrter alter Mann verließ er das Refugium des Auguren.
Am Abend desselben Tages hatte die tote Minotaurin sich ein weiteres Mal vermehrt.
Diesmal in Gestalt eines Schweines mit zwei Köpfen und einem zur übrigen Hässlichkeit gar nicht passenden, schlanken Horn aus Elfenbein auf jeder Stirn...
Am siebten Tag nach dem Fund des weiblichen Ungeheuers empfing König Minos den Auguren Dakaris zum Einbruch der Nacht in den intimsten Gemächern seines Palastes, um ihm ein Angebot zu unterbreiten.
Zuvor hatte der Seher tagelang nichts mehr von Minos gehört und bereits gefürchtet, in Ungnade gefallen zu sein, weil er keine schnellen – nicht einmal
langsame
– Erfolge vorweisen konnte.
Doch Minos begrüßte ihn überaus freundlich und wohlwollend. Er wirkte erholt, auch wenn Dakaris sich nicht vorstellen konnte, dass dieser Augenschein das Innenleben des Königs widerspiegelte.
Es gab keinen Grund zur Erleichterung.
Überhaupt keinen.
Im Reich gingen merkwürdige Dinge vor, die sogar Dakaris zu Ohren kamen, der kaum Zeit für regelmäßige Mahlzeiten fand, weil er Tag und Nacht nur noch mit dem beschäftigt war, was durch unbekannte Einflüsse ins Rollen gekommen war.
Inzwischen hatte das tote Stiermonstrum acht »Kinder« geboren, an jedem Tag seit seiner Bergung eines.
Und Minos hatte Dakaris bald nach ihrer letzten Zusammenkunft durch seinen Boten Gortyn wissen lassen, dass er ihm eine Frist einräume, der Sache auf den Grund zu gehen, ihr Herr zu werden. Zwanzig Totgeborene wollte er erdulden, keinen einzigen mehr. Dann aber sollte der Scheiterhaufen errichtet werden, um die Missgestalten zu vertilgen. Falls die Monstren auch den Flammen trotzten, sollte ein Schiff auslaufen und sie, mit Gewichten beschwert, an der tiefsten bekannten Stelle im Meer versenken!
Der Augure hatte für diese Richtweisungen vollstes Verständnis. Er selbst an Minos Stelle hätte wahrscheinlich weniger Geduld aufgebracht.
Als nun die Einladung erfolgte, war die gesetzte Frist also noch nicht abgelaufen. Dennoch spürte der Augure beim Wiedersehen mit Minos glasklar, dass dieser eine Entscheidung gefällt hatte, die ihn, Dakaris, ganz persönlich betraf.
»Setz dich mit mir auf die Terrasse«, sagte der König. »Wein oder Wasser?«
»Wasser«, sagte Dakaris.
Minos klatschte in die Hände, um ein stummes Mädchen in Bewegung zu setzen, das aussah, wie man sich Artemis, die dralle Göttin der Fruchtbarkeit, vorstellte.
»Vielleicht solltest du lieber Wein wählen«, riet er Dakaris in scherzhaftem Ton. »Er macht nicht nur trunken, manchmal weckt er auch geniale Ideen... Und nichts bräuchten wir dringender als den helfenden Genius.«
Dakaris hielt im Gehen inne und fühlte, wie er innerlich versteifte. »Soll das ein Vorwurf sein, König? Haltet Ihr mich nicht für den geeigneten Mann, diese Angelegenheit zu meistern?«
Minos nahm Dakaris am Arm und führte ihn aus dem Gemach hinaus auf einen Balkon des Palastes über den Klippen. Es war eine wunderschöne Nacht, und das funkelnde Diadem am Himmel ließ den Auguren für kurze Zeit beinahe vergessen, bei wem er zu Besuch war, worüber sie sprachen – und was in seinem Stadthaus unverändert auf ihn wartete, wenn er dorthin zurückkehrte.
»Ich mache keine
versteckten
Vorwürfe. Wenn ich mit jemandem unzufrieden bin, bekommt er es unmissverständlich zu spüren. Nein, sei beruhigt, ich habe gelernt, mein Schicksal zu erdulden, wie könnte ich da Ungeduld zeigen, wenn ich sehe, wie sehr du dich bemühst. Gortyn berichtet mir täglich über deine Anstrengungen und deine eifersuchtsfreie Zusammenarbeit mit den Ärzten und Gelehrten. Ich habe vollstes Vertrauen in dich und deine Fähigkeiten! Hätte ich es nicht, würden wir jetzt nicht miteinander sprechen.«
Der Augure schwieg. Die Dienerin brachte sein Wasser. Der König wählte einen Kelch mit Wein.
Dakaris netzte nur die Lippen an der kühlen Nässe, während Minos den
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