BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
seiner Höhe bis unmittelbar unter das Großsegel.
Eine Kiste.
Die versiegelte Kiste, von der Minos gesprochen hatte.
Der Augure war der einzige an Bord, der wusste, was sich darin befand. Keiner derer, die die Kiste erbaut oder beladen hatten, war mit auf diese Reise gegangen. Seeleute und Krieger hatten die HYPERBOREER erst betreten dürfen, nachdem der dunkle Klotz bereits darauf verankert worden war.
Seit die kleine Kriegsflotte die Meere durchkreuzte, wurde nicht nur unter der Besatzung der HYPERBOREER, sondern auch an Bord der anderen Schiffe wild über den rätselhaften Inhalt der Kiste spekuliert.
Der Wahrheit auch nur nahe kam niemand.
Weil niemand von den Missgeburten weiß, in deren Gefolge neues Unheil über das Reich kam,
dachte Dakaris.
Minos hatte die Größe der Kiste so auslegen lassen, dass nicht nur der weibliche Minotaur und sämtliche seiner Ausgeburten bis zum Tag, da die Flotte in See stach, darin Platz fand, sondern er hatte auch die Möglichkeit einkalkuliert, dass die Vermehrung auf See weiterging.
Dakaris schauderte. Nicht, weil er es abwegig fand, sondern aus dem genau gegenteiligen Gefühl heraus.
Sie waren seit zehn Tagen bei günstigen Winden unterwegs – hieß das, dass sich still und heimlich zehn weitere tote Mischwesen hinter die Bretter dieses Verschlags aus schwarzem Zedernholz geschlichen hatten? Dass der Ausstoß nie aufhören würde und die Kiste, falls nicht vorher Land in Sicht kam und man sie samt ihrem Inhalt ihrer Bestimmung zuführte, irgendwann dem inneren Druck nicht mehr würde standhalten können und auseinander barst...?
Die Vorstellung hatte neben allem Grauen auch etwas Faszinierendes.
Der Augure kehrte der Kiste den Rücken und schlenderte zwischen Grüppchen von würfelnden, dösenden oder ihn misstrauisch beäugenden Soldaten hindurch zu dem hölzernen Aufbau, von dem aus die Ruderbänke überblickt werden konnten, die bei voll gehisstem Segel nur teilbesetzt waren, um jederzeit Steuermanöver ausführen zu können.
Auf dem Podest standen der Befehlshaber des Heeres, das Minos für diese Expedition aufgeboten hatte, und der Schiffsführer. Der Feldherr hieß Thalius. Er grüßte Dakaris höflich und widmete ihm sofort die Aufmerksamkeit, die er vorher Parask, dem Kapitän, geschenkt hatte.
Auch Parask nickte dem Auguren, über dessen Rolle sich ein jeder so unklar war wie über den Sinn und Zweck der Frachtkiste, nach außen hin freundlich zu.
Dass die beiden größte Vorbehalte gegen ihn hegten, empfand Dakaris angesichts der besonderen Situation als völlig normal.
Der Status, den Minos dem Auguren offiziell verliehen hatte, brachte automatisch nicht nur Vorteile mit sich. Selbst Thalius war ihm unterstellt, und bedachte man dies, hielt sich der verdienstreiche Feldherr geradezu bewundernswert gut.
»Wahrscheinlich wollt Ihr uns auch heute nicht verraten, was für ein Gastgeschenk wir den Bewohnern der Insel, nach der wir suchen, mitbringen?«, Thalius lächelte fröhlich, wenn er sein Gesicht Dakaris oder Parask zuwandte. Wann immer er aber einen Kontrollblick auf seine Leute warf, ersetzte pure Autorität das Lächeln. Dakaris fiel es nicht schwer, sich vorzustellen, wie streng und souverän der Feldherr seine Krieger in einer Schlacht führte.
Gleichzeitig hoffte er, dass die Lage es nie erfordern würde, dass Thalius sein Kriegsgeschick unter Beweis stellte. Die Krieger sollten die
Bitte
von König Minos an die Hyperboreer unterstreichen, aber keinesfalls den Eindruck erzeugen, die Kreter seien auf einem Eroberungszug.
Nicht Waffen, sondern diplomatisches Geschick und Fingerspitzengefühl werden darüber entscheiden, ob sie uns glauben, unsere verzweifelt Lage akzeptieren und uns ihre Hilfe anbieten – oder uns mit Gewalt begegnen. In letzterem Fall gäbe es keine Sieger, nur Verlierer...
»Ihr habt recht«, ging Dakaris auf Thalius' Scherz ein. »Mögt Ihr keine Überraschungen?«
Das Mienenspiel des Feldherrn wechselte. »Nein. In meinem Metier enden sie meist böse.«
»Wissen wiegt schwerer als Unwissenheit«, philosophierte Dakaris. »Hinterfragt es nicht, glaubt mir einfach, wenn ich Euch versichere, dass Ihr froh sein könnt, die wahre Bedeutung unserer Mission nicht einmal zu ahnen!«
»Beruhigend klingt das nicht«, mischte sich erstmals Parask in die kurze Unterhaltung ein.
»Ein wenig Unruhe schadet nicht. Sie ist ein besserer Verbündeter als einschläfernde Arglosigkeit. Bleibt wachsam – zu jeder Stunde unserer
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