BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
der Quelle des Schreis zu.
In einiger Entfernung beugte sich eine Werwölfin über eine schmächtige, dunkelhäutige Gestalt, die
nichts
Wölfisches hatte und die an einer Wand herab gerutscht war, gegen die man sie mit brutaler Wucht geschleudert hatte.
»Esben Storm...«
Der Name des Aboriginal rann tonlos über Hidden Moons Lippen, noch während ihm klar wurde, dass er gleich Zeuge werden würde, wie die weibliche Bestie Storm unter den Streichen ihrer Pranken zerfetzte.
Der über ihm kreisende Adler stieß einen schrillen Warnschrei aus. Als Hidden Moon herumwirbelte, sah er Chiyodas Kiefer auf sich zuschnappen.
Instinktiv sprang er zur Seite.
Die nächste Bewegung vollführte er bereits als gewaltiger Greifvogel. Noch imposanter als Makootemane erhob er sich in den Himmel und entging Chiyodas Attacke um Haaresbreite.
Falsch
, übte er sich in schwarzem Humor, wohl eher um
Federbreite
.
Dann stob er – anstatt zu seinem Artgenossen aufzusteigen – wie ein Geschoß wieder zur Erde hinab.
Genau auf den bewusstlosen Aboriginal und dessen heißhungriges Schicksal zu...
Yamuna studierte ihr Opfer und bedauerte dessen Wehrlosigkeit. Ein einziger Hieb hatte den schwächlichen Alten mit dem breiten, stoppelbärtigen Gesicht gegen die Steinmauer des Hauses geschmettert und ihm das Bewusstsein geraubt. Wesentlich befriedigender wäre es gewesen, wenn er sich ihr hätte widersetzen können.
Die aus Kaschmir stammende Wolfsfrau überlegte, ob sie ihr Opfer nicht erst wieder wachrütteln sollte, bevor sie es seinem vorbestimmten Ende zuführte. Doch die Konkurrenz schlief nicht. In der Nähe strichen noch so viele andere gierende Jäger herum.
Nein, einen Aufschub konnte sie sich nicht leisten, und das heiß und roh verzehrte Fleisch würde sie für die entgangenen Reize eines Kampfes entschädigen...
Yamuna hielt sich erst seit wenigen Tagen in der Obhut Chiyodas auf. Dass sie ihn aufgesucht hatte, um Erlösung von ihrer Abscheu gegen sich selbst und ihr Tun in den hellen Nächten des vollen Mondes zu finden, war aus ihrem Bewusstsein entglitten.
Mit einem grimmigen Laut beugte sie sich über den Aboriginal. Sie riss das Maul auf und wollte die Pranken in die Hüften ihres Opfer stoßen, um es zu sich emporzuziehen. Zu ihren gefletschten Zähnen.
Im selben Augenblick wurde sie im Rücken getroffen und von ihrer Beute fortgerissen. Ein seltsames Krächzen erreichte ihr Gehör, und sie begriff...
Am Schnabel des Adlers glänzte Yamunas Blut, und ein verhöhnender Schrei drang in ihr Bewusstsein.
Wie rasend brüllte sie auf, blind in ihrem Hass.
Meine Beute,
rann es durch ihr Wolfshirn.
Vogel schwach. Vogel büßt – stirbt...
Sie begriff nicht, woher er kam und was er war.
Die Wunde, die der Schnabel ihr zugefügt hatte, geriet in Vergessenheit. Unweit lag das Wild. Unweit lockte ein schlagendes Herz...
Während sie sich aufrappelte, um ihren Anspruch auf die Beute erneut und diesmal unmissverständlich geltend zu machen, wurde sie erneut von einem Luftzug gestreift.
Sie sah nach oben – und direkt in die blendende Sonne.
Knurrend wollte sie den Blick wieder senken. Da schoss aus dem unerträglichen Licht etwas hernieder.
Yamuna erstarrte. Diese eine Sekunde entschied über Niederlage oder Sieg.
Als die Werwölfin sich endlich doch über den Besinnungslosen werfen wollte, lag er schon nicht mehr dort am Boden. Vier mächtige Greifklauen waren aus dem Himmel herab auf ihn niedergestoßen, hatten sich in sein nacktes Fleisch gebohrt und darin verfangen und den kompletten Körper nach oben gerissen.
Vier, nicht zwei Klauen... denn es waren
zwei
Vögel, riesige Vögel, die ihr die sicher gewähnte Beute streitig machten!
Zuerst erweckte es den Anschein, als stritten auch die beiden um das Menschenwild. Aber es war der Kraftakt selbst, der Federn aus ihren Schwingen löste, die gemeinsame Anstrengung, mit der sie den Ohnmächtigen außer Reichweite Yamunas trugen...
Neben der Werwölfin tauchte eine Gestalt auf, die Yamuna unter Hunderten, nein Tausenden erkannt hätte, gleichwohl der Fluch einen jeden Betroffenen bis zur Unkenntlichkeit entstellte.
Chiyoda,
dachte sie.
Mein Meister und Lehrer.
Erst in diesem Augenblick sickerte in ihr Bewusstsein, was passiert war.
Wovon
sie sich hatte überwältigen lassen, obwohl die Mondphase, die ihre Verdammnis sonst weckte, noch lange nicht erreicht war! Sie hatten zunehmenden Halbmond, nicht Vollmond – und Tag, nicht Nacht!
Während Chiyoda neben
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