BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
und Anum wie eine uralte Patina aus geronnenen Seelen zu umkrusten schien.
– Was hast du getan?
– Dich tiefer gezogen.
– Tiefer wohin?
– Ins Herz des Kelchs.
Noch bevor Heaven etwas erwidern konnte, wich auch das Zwielicht.
Wich dem absoluten Alptraum.
Zur gleichen Zeit in der Mandschurei
Chiyoda wusste nicht, wie ihm geschah. Die beiden Männer in seiner Nähe jedenfalls erlangten unter den Schüben, die ihn durchpulsten, einen völlig veränderten Stellenwert. Und er konnte nichts – absolut nichts! – dagegen tun!
Der greise Mann, der seinen Wolfsfluch seit Jahrzehnten unter Kontrolle gehalten hatte, fühlte plötzlich, zwischen zwei Atemzügen, wie ihn die Dunkelheit, die er so lange erfolgreich bezähmt hatte, buchstäblich überrollte.
Augenblicklich veränderte sich seine Sicht der Dinge. Seine Denkweise. Und sein...
Skelett!
Freund wurde zu Feind. Zur Beute!
Die beiden Arapaho-Vampire erkannten, was mit ihm geschah. Es war nicht zu übersehen.
Aus greiser Haut spross Fell. Die morschen Knochen des gerade noch dürren, harmlos und vergeistigt aussehenden Alten formten sich zur mordlüstern stierenden Wolfsbestie, aus deren Zügen das ehedem Menschliche ausradiert wurde.
Chiyoda fiel nach vorn. Auf die Hände, die sich bereits in etwas verwandelt hatten, das an die Tatzen eines tollwütig amoklaufenden Grizzlys erinnerte...
Makootemane rief Hidden Moon eine Warnung zu. Gemeinsam kehrten sie dem zum Werwolf gewordenen Chiyoda den Rücken zu und hetzten zur Tür, um aus dem Raum zu flüchten.
Ohne sich auch nur mit einem einzigen Gedanken über die Unmöglichkeit seiner Verwandlung aufzuhalten, katapultierte sich Chiyoda mit einem gewaltigen Satz seiner Hinterläufe auf den Arapaho zu, der ihm am nächsten war.
Dessen blauschwarzes Haar flog im Rennen hin und her und entblößte ein weißes, sonderbares Mal.
Chiyodas Klaue fuhr auf Hidden Moons Nacken hinab. Die gebogene, messerspitze Kralle, die einmal sein Mittelfinger gewesen war, bohrte sich genau in den schneeweißen Flaum, der als schmaler Streifen zwischen Schulteransatz und Genick verlief.
Die anderen schartigen Nägel verfehlten den Gefiederflaum, der Merkmal eines jeden Arapaho-Vampirs war.
Aber nicht jeder besaß ein Stigma
dieser
Farbe und dieser – Wehrhaftigkeit!
Chiyoda heulte auf.
Er erstarrte inmitten seines Sprungs.
Grüngelber Speichel troff aus dem Maul der Kreatur, zu der er verkommen war. Und aus seinem Rachen quoll das hilflos reumütige Wimmern und Gewinsel, das Ausdruck des
Schmerzes
war, der über seine ausgestreckte Pranke in sein Hirn stach, dort einen Brand entfachte und –
»Neeeeeeiiiiiiinnnnnnn!«
Der gurgelnde Schrei riss Chiyodas Bewusstsein förmlich mit sich, als wäre es von einem unwiderstehlichen Sog erfasst worden.
Er wehrte sich, stemmte sich gegen dieses unsägliche Gefühl.
Der Verstand streikte noch immer.
Freund war immer noch Feind.
Aber der Feind wehrte und widersetzte sich – mit Mitteln, die den Werwolf bis ins Mark entsetzten.
Mit einer Magie, die er kannte,
er
kannte, und die ihn vollkommen paralysierte. Die sich über seinen Geist stülpte wie ein schwarzes Tuch.
Und jede Regung, jede Wahrnehmung erstickte...
»Schnell! Komm!«
»Aber...«
»Kein Aber! Wir müssen weg hier – bevor er wieder zu sich kommt!«
Hidden Moon starrte auf das Monster, halb Mann, halb Wolf, zu dem ausgerechnet derjenige mutiert war, der in der Abgeschiedenheit dieses Tales anderen Werwölfen beizubringen versuchte, wie sie ihrem allmonatlichen Drang zu töten widerstehen konnten.
Nun war Chiyoda selbst – vor ihren Augen und mitten im Gespräch – zu dem Ungeheuer geworden, das er in sich besiegt zu haben glaubte. Und das Beängstigendste daran war...
»Wir haben noch nicht einmal Vollmond!«, Hidden Moon ballte die Fäuste. Erstaunlicherweise war der grelle Schmerz, mit dem die Kralle des Werwolfs in seinen Nacken eingedrungen war, einer sehr viel leichter erträglichen Taubheit gewichen. »Verstehst du das?«
Sein Ziehvater Makootemane hatte die Tür erreicht und aufgerissen.
»Nein!«, keuchte er. Sein Blick zuckte nur einen winzigen Moment zu dem verkrümmt am Boden liegenden Wolfsmann, dann wieder zu Hidden Moon. »Aber es hat nicht nur ihn erwischt. Hör nur, draußen. Dieses Heulen. Dieses Knurren...«
Hidden Moon verstand, was das ehemalige Oberhaupt der Arapaho-Vampire meinte. Er fing die animalischen Laute ebenfalls auf, die von draußen hereinwehten.
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