BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Schlund, in den es gesunken war. Der Akt war zwar noch immer mit Qualen verbunden, aber er lief immerhin mehr oder weniger von selbst ab.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Aber es war noch hell im Zimmer; sie konnte wohl höchstens ein paar Stunden geschlafen haben. Und sie war noch immer Lichtjahre davon entfernt, sich ausgeruht oder gar wohl zu fühlen.
Aber sie war in der Lage, wieder etwas anderes als nur Schmerzen zu empfinden. Sie war sich ihres Körpers wieder bewusst, und sie konnte ihn bewegen, ohne lautlos aufschreien zu müssen.
Sich zu sammeln, die frisch erwachten Kräfte in sich zu bündeln und zu leiten, bereitete ihr mehr Mühe, als sie befürchtet hatte. Die Energie – oder was immer es auch war, dessen sie sich da bediente – floss spürbar träge und zäh durch imaginäre Kanäle, die irgendwo in ihrem Fleisch zwischen Adern und Nerven hindurchführen mussten; zu einem Ziel, das sie nicht wirklich kannte.
Aber sie erreichte es.
Sowohl die Verwandlung von menschlicher in die Gestalt einer Fledermaus wie auch die umgekehrte waren bislang stets rasch und ohne eine besondere Empfindung vonstattengegangen.
Diesmal tat es weh.
Höllisch weh!
Heaven spürte und hörte, wie ihre Knochen sich verformten, wie Fleisch und Haut sich veränderten – wie ihr Körper ein anderer wurde. Zugleich stieg eine irreale Furcht in ihr auf – dass ihre Kräfte sie mitten in der Metamorphose verlassen könnten. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Vampirin Fee, der genau dieses Schicksal – wenn auch aus anderem Grund – widerfahren war und die anstatt Armen Fledermausflügel trug.
In diesen fürchterlichen Momenten wäre Heaven bereit gewesen, jeden Eid zu schwören, dass sie sich nie, nie wieder verwandeln würde...
Etwas brach knirschend, und Heaven glaubte, das Geräusch wäre noch Teil der Transformation. Dann erst merkte sie, dass es das Holz der Kiste war, das entzwei gegangen war, weil das Behältnis natürlich viel zu klein für einen Menschen war.
Heaven stürzte von dem Tisch, auf dem ihr 'Bettchen' gestanden hatte, und stemmte sich ächzend auf Hände und Knie hoch. Mit einem Gedanken veranlasste sie den Symbionten, der noch immer als breiter schwarzer Reif um ihren Hals lag, sie 'einzukleiden'. Die Schwärze floss über ihren nackten Körper und formte sich zu einem Kostüm von schlichtem, fast unscheinbarem Zuschnitt. Natürlich liegt die Definition von 'unscheinbar' an der Trägerin eines Kleides, und Heaven hätte selbst in einem Kartoffelsack noch aufregend gewirkt.
Dann erhob sich und verharrte sekundenlang, lauschte nach Geräuschen, nach Anzeichen dafür, dass der Vampir zurückkehrte.
Aber alles blieb still.
Eigentlich war Heaven versucht, den Alten zu suchen. Doch sie entschied sich dagegen.
Denn sie war kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Den Vampir aufzustöbern, wenn er überhaupt im Haus war, und dann noch gegen ihn anzugehen, um ihn schließlich zur Ader zu lassen, das würde ihre kaum regenerierten Kräfte mit Sicherheit bei weitem übersteigen.
Mochte der Blutsauger auch durch Blutentzug und die Ernährung aus Tieren geschwächt und sichtlich alt sein – in ihrer miserablen Verfassung musste er Heaven dennoch haushoch überlegen sein.
Nein, sie musste erst noch weiter zu Kräften kommen. Zwar würde sie ohne schwarzes Blut zu trinken niemals zu alter Form zurückfinden, aber Ruhe und Schlaf würden sie zumindest soweit erstarken lassen, dass sie es mit dem Vampir aufnehmen konnte.
Sie musste nur einen sicheren Ort finden, an dem sie sich erholen konnte.
Gerade noch rechtzeitig ertappte Heaven sich bei dem fast unbewussten Versuch, sich verwandeln zu wollen, um auf dem Luftweg aus dem Haus des Vampirs zu verschwinden.
»Oh, nein«, sagte sie flüsternd zu sich selbst, »das tu ich mir jetzt nicht noch einmal an.«
Statt dessen schlich sie sich auf Zehenspitzen hinaus.
Ein Volk ist tot,
wenn seine Götter tot sind.
Stefan George
Moses Pray fragte sich, ob der dunkle Bann, mit dem der Vampir ihn belegt hatte, womöglich auch sein Schmerzempfinden lähmte.
Denn der Blutsauger musste ihm doch längst die Zähne in den Hals geschlagen haben – und doch spürte er nichts. Weder den heißen Schmerz noch das grauenhafte Saugen, was er ja beides schon aus seinem unheimlichen Traum kannte.
Dafür – hörte er etwas.
Geräusche, die jedoch nichts mit dem zu tun haben konnten, was der Vampir mit ihm anstellte.
Geräusche –
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