BAD BLOOD - Gesamtausgabe: Die Saga vom Ende der Zeiten (über 3000 Buchseiten!) (German Edition)
Tapferkeit das Böse, das nun über sie hereingebrochen war, erst angelockt und herausgefordert...
Wyandos Körper war in Schweiß gebadet, obwohl er nur ein ärmelloses Hemd, einen kurzen Lendenschurz und Mokassins trug.
Seine einzige Bewaffnung bestand aus einem Büffelhorn, das eigentlich ein
Werkzeug
war, mit dem Federn geglättet wurden, bevor sie in der Pfeilherstellung Verwendung fanden. Das Ende des unterarmlangen Horns war zur besseren Griffigkeit mit Rohhautleder umwickelt worden, und Wyando hielt es krampfhaft umklammert in seiner Linken, mit der er das meiste Geschick hatte.
Es war eine helle Nacht, und der junge Arapaho wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es verfluchen sollte, dass der Mond als volle Scheibe über Prärie, Wald und Bergkuppen leuchtete.
Seine Augen hatten sich schnell an dieses fahle Licht gewöhnt, und er stolperte selten über Steine, Wurzeln oder herumliegendes Geäst. Aber ebenso leicht würden es etwaige Verfolger haben, und er war fast sicher, dass seine Flucht nicht unbemerkt bleiben konnte und Konsequenzen nach sich ziehen würde.
Ziehen musste!
Makootemane – oder das, was wie Makootemane
aussah
– hatte nicht den Eindruck erweckt, als wäre es gewillt, sich auch nur ein einziges seiner Opfer entgehen zu lassen!
Obwohl Wyando erst sechs Jahre alt war, machte er sich wenig Illusionen, dass ihm seine Flucht gelingen könnte. Der Weg zu den Cheyenne war ebenso weit wie beschwerlich, und diese Nacht hätte vielleicht einem geübten Läufer genügt, bis zu ihrem Lager zu gelangen – aber gewiss keinem untrainierten Kind.
Wenn der Morgen graute, würde es noch leichter fallen, ihn aufzuspüren. Arapaho und Cheyenne lagerten im Schutz zweier Waldstücke, die von freier Prärie unterbrochen wurden. Bis dorthin konnte es Wyando bis Sonnenaufgang schaffen, und dort gab es kaum noch Deckungsmöglichkeiten.
Aber noch war er...
Er unterbrach seine Gedanken, als seine Ohren ein Geräusch auffingen, das nur von einem schweren Tier – oder einem Verfolger rühren konnte.
Wyando ließ sich augenblicklich hinter einen Strauch fallen.
Dann wartete er mit angehaltenem Atem.
Und hörte es.
Näherkommen.
Was immer es war, es war groß. Und es bewegte sich trotz seiner jetzt immer gewisser werdenden Schwere in beunruhigender Weise mit dem Unterholz des Waldes
vertraut
...
Es war nicht mehr weit.
Es war so nahe, dass Wyando außer den Schritten nun auch Geräusche hörte, die nur aus dem Rachen des Unsichtbaren kommen konnten.
Als Wyando vier gewesen war, hatte ein wilder Hund, vor dessen Maul Schaum gestanden hatte, das Dorf überfallen. Er hatte sich einen Kampf mit den Hunden des Stammes geliefert, und alle, die von ihm gebissen worden waren – auch Männer, die eingeschritten waren und denen es schließlich gelungen war, ihn auf eine Lanze zu spießen – waren Tagen später in fiebrige Krämpfe gefallen. Niemand hatte ihnen helfen können. Auch Quanak nicht. Sie waren qualvoll gestorben.
Jener besessene Köter hatte ähnliche Töne ausgestoßen wie das, was sich jetzt den Weg durch den Wald bahnte, immer näher an Wyando heran.
Unaufhaltsam, als wüsste es präzise, wo er sich verbarg. Als
sähe
es ihn – oder hätte zumindest seine Witterung in der Nase.
Verzweifelt blickte der Junge zum Himmel.
Durch die Blätter hindurch sah er den funkelnden Mond und wünschte sich zu ihm hinauf – nicht ahnend, dass gerade dieses bleiche, wie ein offenes Auge am Himmel ziehende Fanal es war, das seinem Verfolger die Sinne lieh, die er brauchte, um Wyando in jedem Versteck zu finden...
Auch der letzte von zwölf Täuflingen, ein Mädchen, starb unter fürchterlichen Qualen, und seine Lippen glitten vom Rand des Kelchs, in den Makootemane sein Blut gegeben hatte.
Gerade genug, um jedes der auserwählten Kinder davon trinken und sterben zu lassen...
Makootemane suchte und fand den Blick des Hohen Geistes, der das magische Gefäß in seinen Händen hielt. Und dem es zu gefallen schien, ein Dutzend Kinder im Staub zu seinen Füßen zu sehen.
In diesem Augenblick fragte sich Makootemane zum ersten Mal, was geschähe, wenn sie
nicht
wieder erwachten. Wenn nicht nur sie, sondern auch er betrogen worden wären...
Er löste sich schwer vom Gift dieses Gedankens. Doch offenbar stand er schon auf seine Stirn geschrieben.
»Geduld«, sagte der Bleiche. Er hob den düster glühenden Kelch in seinen Händen. »Dein Blut ist nicht nur Tod, sondern auch Leben. Du hast keine
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