Bad Hair Years
Schulter zu sehen war. Sexy! Jennifer Beals zeigte später in Flashdance, wie das genau ging. Seither schafft es jede Frau, die was auf sich hält, einen BH loszuwerden, ohne den Pullover auszuziehen. Apropos sexy und Unterwäsche: Strings sind erfunden worden, damit man eben nichts sieht unter der engen Hose oder dem Rock. Ergo sollte bitte auch der String nicht zu sehen sein, Schwestern. Spitzen-BHs unter hautengen Tops sind auch nicht sexy, es sieht aus, als wäre der Busen auf einem geklöppelten Kissen eingeschlafen.
Der Übergang vom schwarzen Sweatshirt zur schwarzen Kutte war nahtlos. Die folgenden Jahre hüllte ich mich in weite Gewänder und konzentrierte mich auf meine Frisur, mein Make-up und den Weltschmerz im Allgemeinen. Punk ging spurlos an mir vorüber, ich wollte mir meine schönen blauen Haare nicht mit einem Mohawk oder gar einer Glatze versauen. Der Glaubwürdigkeit halber angelte ich mir Adam, den schönsten und ehrlichsten Punk im ganzen Chiemgau. So ging es auch. Nach Adam verfiel ich einer kurzen Sixties-Phase, toupierte mir das Haupthaar und lernte, wie man einen perfekten Lidstrich zieht. Das kann ich bis heute, wenn mir denn danach ist. Non scolae sed make-up discimus.
Nach dem Abi kam mein Au-pair-Jahr in New York, das ich in Jogginghosen verbrachte. Selbst in München weiß ich oft nicht, ob links oder rechts, in amerikanischen Supermärkten funktionierte mein Orientierungssinn plötzlich hervorragend, den Gang mit den Sechs-Liter-Ben&Jerrys Bechern hätte ich auch mit verbundenen Augen gefunden. Nach acht Wochen passten mir meine Hosen nicht mehr. Wie shoppen geht, wusste ich damals noch nicht, außerdem hatte ich weder Arbeitsgenehmigung noch Geld und durfte sowieso nie raus.
Als ich damals zurück nach Hause kam, waren die Achtziger immer noch nicht zu Ende, nannten sich aber Neunziger. Was ich Jahre vermieden hatte, war plötzlich sogar meinesgleichen erlaubt: Jeans. Ich trug Levis Weite achtunddreißig, ohne dass mein Selbstbewusstsein oder meine Oberschenkel weitere Dellen in Kauf nehmen mussten. Wie alle anderen zog auch ich sie bis kurz unter den Busen, wo sie mit einem extrabreiten Gürtel festgehalten wurden. Um das Ganze optisch auszugleichen, trug man möglichst enge Oberteile, vorzugsweise in weinrot oder dunkelgrün, Hauptsache Samt. Schlimm genug. Schlimmer noch, es handelte sich meist um Bodystockings. Diese sind mittlerweile hoffentlich ausgestorben, denn ich hätte Schwierigkeiten, Sinn und Zweck eines Bodystockings zu erklären. Easy access? Ein Höschen ist genauso schnell runter wie drei Knöpfe offen, glaubt mir. Wer einmal versucht hat, im betrunkenen Zustand drei Mikrodruckknöpfe untenrum wieder zuzumachen, wird jederzeit gerne nüchtern alle Exemplare dieser Gattung im offenen Feuer verbrennen. Der Rest war viel billiger Schmuck und Make-up. Ich schminke mich, seit ich endlich durfte, denn meines gehört zu den Gesichtern, die ohne ein bisschen Farbe nicht vorhanden sind, leider. Einen derartigen Farbverbrauch wie damals vermute ich heute allerdings nur noch hinter den Kulissen des Christopher Street Day. Mitgenommen habe ich aus dieser Zeit nur zweierlei: meine Vorliebe für große Ohrringe und für Hip Hop. Meine Angewohnheit, mir Schals oder in der Not sogar T-Shirts turbanartig um den Kopf zu wickeln, legte ich ungefähr zeitgleich mit meiner letzten rausgewachsenen Dauerwelle ab. Gott sei dank ist mir seither nie wieder einer dieser überdimensionierten Samthaargummis begegnet.
Kurz war auch ich wehrlos Kurt Cobain ausgeliefert, schnitt Ärmel und Krägen ab und trug kariert zu gestreift zu grau. Danach wurde mir alles zu viel, und ich musste mich ausruhen. Ich besaß zu dieser Zeit genau zwei Paar Schuhe: Im Sommer trug ich Chucks, im Winter Biker Boots. Wie mir das passieren konnte, weiß ich nicht, aber ich tippe auf einen bösen Infekt. Zu der Zeit war ich aber auch schwer verliebt, es war egal, was ich trug, ich zog’s ja sowieso dauernd wieder aus.
Mit einer derartigen Modelaufbahn konnte mir New York auch nichts mehr anhaben. Zudem wurde ich immer dünner, mir passte plötzlich alles.
»Wassup?«
»… .«
»Was denn? Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Nix.«
»Dann ist ja gut.«
(SEUFZ)
»Was ist denn? Was hast du denn? Du hast doch was!«
»Sie hat den ganzen Tag noch nichts gegessen.«
»Na und? Ist ja auch voll stressig hier.«
»Das macht sie schon seit Wochen, aber du kriegst ja nichts mit. Du bist ja dauernd unterwegs, und
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