Bad Hair Years
Hunger, ich hab heut noch gar nichts gegessen«, hieß in München ungefähr: Zwei Butterbrezn, ein Joghurt und ein Obstsalat für die Bikinifigur, dann waren alle bös zu mir oder ich fühlte mich PMS-bedingt wie eine trächtige Elefantenkuh, deshalb den ganzen Nachmittag Kekse, dafür hasse ich mich jetzt abgrundtief, Pizza mit extra Käse, bitte.
Nothing heißt in New York genau das: nichts, nada, zip. Umgeben von superschlanken Frauen, die ein einziges Sushi-Stückchen zum Abendessen deklarieren, bestellt sich auch die Selbstbewussteste keinen Teller Nudeln mit Sahnesauce und ich schon gleich gar nicht. Ich lernte schnell: Pasta, Pizza, Brot ist gleich Kohlenhydrate, diese werden zwar liebevoll Carbs genannt, im Übrigen aber behandelt wie die allerschlimmste Droge auf der ganzen Welt. Selbst im Obst verstecken sie sich, ich lernte Frauen kennen, die lieber auf ihr Bikiniwax verzichtet hätten, als einen Apfel zu essen. Manchmal schleicht sich aber doch eine Pizza in den Tagesablauf, allerdings auch nur in Form eines Slice. Dieses wird sorgfältig mit der Serviette abgetupft, wie das Näschen nach einem langen Arbeitstag, dann beißt man einmal ab und lässt den Rest liegen. Trotzdem gilt dieses Pizzastückchen als vollwertige Mahlzeit, und deshalb muss selbstverständlich das Abendessen ausfallen, Codeword dinner cancelling. Die gängige Entschuldigung hierfür lautet »I had a big lunch« und deshalb keinen Hunger mehr. Gleichzeitig ist es die allgemein und gesellschaftlich anerkannte Version von: »Vielen Dank für die Einladung, aber ich habe eine gut funktionierende Essstörung am Start und werde deshalb selbstverständlich nicht mit euch zu Abend essen, sondern mich einfach gleich betrinken.« Vermutlich liegt dieses seltsame Verhalten daran, dass in New York Models einfach so frei rumlaufen dürfen. Da fühlt sich eine schlanke Größe 38 schon mal wie eine sagenhaft fette Kuh.
Andererseits ist zu dünn natürlich auch nicht sexy. Irgendwann muss man sich entscheiden, ob man lieber Wangenknochen oder Busen haben möchte, beides geht nicht. Doch, beides geht auch, das kostet dann aber. Zum Glück haben Zigaretten keine Kalorien. Zigaretten haben erst Kalorien, wenn man sie weglässt. Bei meinem letzten Aufhör-Versuch war ich nach fünf Kilo plus hysterisch genug, mir wieder eine anzuzünden. Nur eine, ich dachte, das geht. Das ging auch, und zwar den Bach runter. Wenn Kippen Kalorien hätten, dann wäre wenigstens das Problem mit dem Rauchen gelöst.
»Wir müssen sie irgendwie ablenken. Sie soll sich verlieben,
es frühlingt ja auch gerade so schön.«
»Igitt.«
»Wenn sie sich verlieb t, dann isst sie auch wieder.«
»Wieso das denn?«
»Weil man hier dazu erst mal auf unendlich viele Dates gehen muss, und dann muss sie was essen, damit sie nicht wie eine Salatblatt herumschiebende Zicke aussieht. Genial, oder?«
»Seit wann verliebt die sich?«
Frühling, Schmühling
Und dann kam schon wieder der Frühling, here I go again on my own. Der Frühling im Central Park ist die Fashion Week unter den Frühlingen, übertroffen nur von der Kirschblüte in Japan, aber die kenne ich nur von Flickr-Fotos. Wie wir alle wissen beziehungsweise wie uns allen immer versichert wird, ist der Frühling die schlimmste Jahreszeit für Singles, übertroffen nur von Herbst, Winter, Sommer, Sonntag und Weihnachten. Alle kucken verliebt bis geisteskrank, nur mich hinterlässt derartige Glückseligkeit immer einigermaßen verwirrt. Jedes Mal, wenn mir wieder jemand erzählt, wie unglaublich verschossen er ist, möchte ich antworten: Verschossen? Wie hast du das denn gemacht? Das heißt, eigentlich möchte ich fragen: Wie redest du denn? Sind wir immer noch in der siebten Klasse?
Offensichtlich bin ich der Liebe von der To-do-Liste gerutscht, ich nehme an, sie hat Wichtigeres zu tun, als mein Puzzlestückchen zu finden. Wenigstens steht mir so morgens niemand im Weg herum oder will samstags zum Brunch, während ich noch nicht einmal den Wochenendteil der Zeitung aufgeschlagen habe. Auf Amor verlasse ich mich in dieser Hinsicht schon gar nicht mehr, zu oft hat er mit seinen Pfeilen den Falschen getroffen beziehungsweise halt nicht den, den ich mir gerade in den Kopf gesetzt hatte. In derart wichtigen Angelegenheiten beanspruche ich dann doch ein gewisses Mitspracherecht. Im Vertrauen: Ich vermute ein kleines Alkoholproblem beim Gott der Liebe, und wen wundert’s? Wenn es um mich geht, scheint er sogar ziemlich harte
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