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Bad Hair Years

Bad Hair Years

Titel: Bad Hair Years Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Kink
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Euro. Draußen am Schaufenster klebt ein Zettel, auf dem Frühstückstreffs angekündigt werden, jeden Samstag, kann jeder kommen, kostet nichts. Die Vorstellung, dass sich Menschen in diesem trostlosen Raum zum Frühstücken treffen, macht mich derart traurig, dass ich sofort meine Mütze aufsetzen und gehen will. Mach ich aber nicht. Immerhin bin ich frühmorgens bis nach hinter Schwabing gefahren, um hier kreatives Schreiben zu lernen. Jetzt allerdings bekomme ich nicht nur Zweifel, jetzt bekomme ich sogar ein bisschen Angst. Wir sind vierzehn Leute, ich bin die Jüngste. Ihr dürft hier gerne ein »und du bist ja jetzt auch nicht mehr die Jüngste« einwerfen, ich möchte nur mit meiner geballten Workshop Erfahrung darauf hinweisen, dass das ein selten billiges Wortspiel ist.
    Routiniert packen alle ihre Taschen aus, Schreibblock, Lesebrille, Schokolade, Thermoskannen, Butterbrot, Federmapperl. Du lieber Himmel, Profis. Andererseits: Hätten Profis nicht eher ein MacBook dabei? Und wenn ich so nachdenke: Sollte ich mir nicht erst mal ein MacBook kaufen, als zukünftige freiberufliche Kreative? Immerhin besitze ich genug Wollmützen und Brillen, beruhige ich mich, und krame erst mal in meiner Tasche nach einem Stift und meinem kleinen Buch. Ich mache mir wirklich Sorgen, dass wir nach der Vorstellungsrunde erst einmal Vertrauensübungen machen müssen, um locker zu werden. Ich werde mich auf keinen Fall irgendeinem Fremden rücklings in die Arme fallen lassen, ich glaube nämlich nicht, dass mir dadurch schöne Sätze einfallen. Außerdem befindet sich in dieser Runde niemand, von dem ich mich blind auffangen lassen würde. Abgesehen von der jungen Mama neben mir vielleicht. Die ist hier, weil ihrer Tochter ihre selbst ausgedachten Gutenachtgeschichten so gut gefallen, »da dachte sie halt«. Jaja, Harry-Potter-Goldgrube dachte sie da halt. Aber sie hat mir Kekse angeboten, aus ihrer Tupperdose, und ich mag grundsätzlich erst mal jeden, der mir Kekse gibt.
    Immerhin müssen wir uns nicht fallen lassen, aber schreiben müssen wir schon. Und zwar jetzt gleich. »Der grüne Spiegel«, so das Thema, zwanzig Minuten Zeit. Rechts und links von mir fangen ausnahmslos alle an, auf ihre Blöcke zu kritzeln, als ginge es um den Pulitzer-Preis, Literatur-Slam, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken oder die Stirn in Falten zu legen. Ich blicke fassungslos in die Runde. Wie jetzt, grün? Wie früher bei den Mathe-Schulaufgaben. Wie jetzt, das x auf die andere Seite?
    Beinahe will ich den Arm heben, um zu fragen, ob ich auch über etwas anderes schreiben darf. Ich denke tatsächlich »darf«, als wäre ich nicht erwachsen genug für ein »ich schreibe hier gefälligst, was mir gerade so einfällt, damit das mal klar ist«, aber das mit dem Erwachsensein ist ja auch so eine Sache. Vielleicht hätte ich dazu noch mit den Fingern geschnippt, obwohl ich das in der Schule nie getan habe. Wozu auch, ich wusste ja nie was. Wenn ich mich hier aber auf der Schulbank wiederfinde, dann richtig. Ich schiele nach rechts, um zu sehen, was der Mann mit der komischen Hose neben mir schreibt. Dann nach links, aber auch die Handschrift der Mama ist unter aller Sau. Fehlen nur noch aufgestellte Taschen auf den Tischen, damit auch ja keiner abschreiben kann. In meiner Not suche ich Augenkontakt zum Dozenten, der lächelt mich an, wusst ich’s doch. Erleichtert warte ich auf sein »Haha, war nur Spaß!« Stattdessen nickt der mir aufmunternd zu. Darf man hier rauchen? Eventuell sogar trinken? Mein Blatt Papier ist weiß, ich fange an, meinen Stift gegen meine Vorderzähne zu klackern, nur um mal zu sehen, wie lange es dauert, bis mich jemand erschießt. Nicht sehr lange. In den letzten fünf Minuten schmiere ich irgendetwas sagenhaft Fantasieloses über einen Umzug mit Spiegel runter, das grün ignoriere ich einfach mal mutig. Ist doch egal, denk ich. Sieht ja keiner, denk ich. Little did I know. Wir müssen nämlich vorlesen. Alle. Vorlesen! Das ist ja nun schlimmer noch, als sich rücklings einem Fremden in die Arme fallen zu lassen.
    Meine Versuche, mich unsichtbar zu machen, sind völlig unnötig, es drängeln sich nämlich alle ums nicht vorhandene Mikro. Streber. Ich höre dreizehn Geschichten und werde blass. Das sind keine Texte, das sind Romananfänge. Landschaften werden da beschrieben und Menschen, und, doch, doch, grüne Spiegel. Ich bin hier völlig falsch, ich habe das Programm nicht richtig gelesen, ich wollte ja nur wissen, wie

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