Bad Hair Years
ohne zwingenden Grund«, denn das fand ich eigentlich recht cool, es gab der ganzen Misere einen kleinen amerikanisch-glamourösen Verbrecher-Touch. Nein, ich meine den Gründungszuschuss. Eines Tages endlich überreichte sie mir stapelweise Informationsmaterial und Formulare. Ich las, verstand nur die Hälfte, und war trotzdem begeistert. Man muss offensichtlich nur einen Businessplan für die geplante Selbstständigkeit vorlegen, und schon wird man gar nicht mal so knapp finanziell unterstützt, bis der Kontostand nicht mehr rot blinkt wie eine kaputte Ampel, nämlich neun Monate lang. Neun Monate! In neun Monaten werden sogar aus den Aliens auf Ultraschallbildern richtige Menschenbabys, da werde ich doch locker von der Tippse zum Texter. Das ist ja großartig! Zur Sicherheit werde ich meine Dienste aber vorerst auch noch als Assistentin anbieten, da weiß man, was man hat. Vorsicht ist das Plus auf dem Kontoauszug.
Ich setze mich selbstverständlich sofort auf den Hintern und fange an zu schreiben. Als ich gerade das Bad putze, fällt mir die Wahrsagerin aus New York ein, die ich einmal auf freundschaftlichen Rat hin aufsuchte, als ich völlig entscheidungsgelähmt war. Scheint so meine Macke zu sein, überirdische Hilfe zu erwarten, nennen wir es einfach liebenswert. Jedenfalls, die hat mir damals prophezeit, dass sie mich ein Buch schreiben sieht, in naher Zukunft, an einem Holztisch in einem wunderbaren wilden Garten vor einem Haus am See, und neben mir auf der Wiese schläft friedlich ein Baby in seiner Wiege, von Schmetterlingen und Singvögelchen umkreiselt … Moment! Ein ganzes Buch gleich?!
Und was ist eigentlich ein Businessplan?
Nun ist es so, man kennt das, dass man meist die richtigen Leute zur richtigen Zeit trifft. Manchmal auch die richtigen zur falschen und die falschen zur richtigen, bitte alle Variationen selber durchspielen, denn darum geht es ja gar nicht.
Plötzlich lerne ich immerzu Menschen kennen, die sich in der gleichen Situation befinden. Und alle haben genauso wenig Ahnung wie ich. Spitze. Man hat also jede Menge Gesprächs- und Jammerstoff, hangelt sich gemeinsam durch die Formulare, irgendeiner kennt immer irgendjemanden, der irgendetwas auch nicht weiß, und zum Schluss hat man eine blasse Ahnung, wie das Ding aussehen muss. Ungefähr. Dann sollte man es schreiben. Für den Zahlenteil braucht man unbedingt einen Steuerberater, und das ist gut so. Denn wann immer ich Excel öffne, kann ich förmlich spüren, wie mein Hirn zumacht.
»So geht das nich t, das geht doch so nich t, was schreibt sie denn da? Warum denn selbstständige Sekretärin/Assistentin? Ja spinnt denn die jetzt ganz?!«
»Was machst du da?«
»Ich versteck die Brille.«
»Nicht schon wieder, das bringt doch nichts.«
»Wenn die so einen Mist schreib …Oh, ein Zwanni!«
»Nimm ihr nicht immer Geld weg!«
»Das merkt die doch gar nicht.«
»Und hör auf, ihr ins Ohr zu pfeifen! Du machst sie doch nur noch nervöser!«
*Blip*
»Was war das?«
»Nix.«
Engel links, Teufel rechts
Clara. So heißt mein Schutzengel. Das hat sie mir auch noch erzählt, die Wahrsagerin, die amerikanische. Normalerweise wendet sich mein Hirn bei so was kopfschüttelnd ab, ich bin ein pragmatischer Mensch, esoterisch werde ich wie gesagt nur, wenn ich mir überhaupt nicht mehr zu helfen weiß. Schutzengel aber gefällt mir ausgesprochen gut. Engelchen. Wie nett.
Clara also passt seit meiner Geburt auf mich auf. Das bekommt sie einigermaßen hin, bisher ist mir nichts Schlimmes passiert. Als Kind bin ich auf der Straße vorm Haus überfahren worden,Ende zwanzig kam ein Blinddarm-Durchbruch mit Blaulicht dazu, dann Liebeskummer, arbeitslos, BMW gegen Baum, 9/11 live, arbeitslos, Liebeskummer – Moment. Moment mal!Keine Ahnung, wo Clara sich herumgetrieben hat, vielleicht wollte sie sich einfach nur einen hübschen Assistenzarzt anlachen, könnte ich auch verstehen. Ich habe alles mit ein paar Narben überlebt, da will ich mal nicht so sein. Ob Schutzengel auch für die Liebe zuständig sind, weiß ich nicht. In dem Fall müssten wir allerdings mal reden.
Jetzt mache ich mir natürlich Gedanken. Wie die wohl aussieht? Hoffentlich trägt sie keine weißen Wallegewänder, weiß macht mich so blass. Größer als ich würde gut beim Aufpassen helfen. Vielleicht ist sie aber auch nur ein klitzekleines Ding, das sich von mir auf der Schulter rumtragen lässt, was meinen ewig verspannten Nacken erklären würde. Brauchen Schutzengel
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