Bad Hair Years
schwante mir zum ersten Mal, dass der BMW und ich eventuell nicht füreinander gemacht waren.
Das zweite Mal überfiel mich diese Ahnung auf der A8 Richtung Land, als ein BMW gleichen Fabrikats und gleicher Farbe sehr nah an meinen Heckspoiler geriet, nur um dann auszuscheren und erst mal auf gleicher Höhe zu verweilen. Als ich endlich genug Mut hatte, nach links zu schauen, sah ich einen semmelblonden Chiemgauer Burschen, der mir solidarisch grinsend seinen rechten Daumen entgegenstreckte. Von mir aus, das Auto passte also nicht zu mir, weil semmelblonde Chiemgauer Burschen auch nicht zu mir passen, und jetzt geht mir der Satz nicht aus, ich bin mir wegen der Chiemgauer Buam nämlich gar nicht so sicher, aber was ich sagen wollte: Ich wüsste gar nicht, welches Auto zu mir passt. Allerdings habe ich auch noch nie versucht, meinen Vornamen zu tanzen, und ich weiß auch nicht, ob ich ein Herbst- oder Frühlingstyp bin. Ich meine Herbst, aber oft wird man ja auch überrascht.
Ich mochte dieses Auto sehr, es hat mich immer brav aufs Land gebracht. Was soll’s, jetzt ist er weg. Ich lebe mitten in der Stadt, brauche kein Auto und muss jetzt vernünftig sein. Dieses Geständnis wird sich in vierundzwanzig Stunden von selbst löschen, denn ich werde weiterhin in jeder diesbezüglichen Diskussion behaupten, dass ich selbstverständlich ein Auto brauche, ich hatte schon immer ein Auto. Ich komme vom Land, da hat man einen Autoschlüssel am Schlüsselbund, wie man eine Zahnbürste im Badezimmer hat. Seltsam aber schon, warum Autos auf dem Dorf so wichtig sind. Die Wege sind kurz, und trotzdem sind wir immer alles mit dem Auto gefahren. Wenn Brot fürs Abendessen fehlte, ist halt irgendjemand schnell barfuß und unangeschnallt die zehn Meter zum Bäcker gefahren. Warum auch nicht, so ein Dorf ist ja ein einziger großer Parkplatz, und ökö hatten wir damals noch nicht. Außerdem wollte man halt auch mal raus aus dem Kaff, und sei es nur ins nächste, und das war dann aber schon ein bisschen weit.
Zudem musste ich feststellen, dass ich gar nicht mehr so gerne fahre, warum, ich weiß es nicht, aber ich trau mich einfach nicht mehr. Es war mir in letzter Zeit immer ein bisschen zu anstrengend mit den ganzen Geisteskranken und den vielen Lkws. Ich fahre einfach zu selten, und die Geschichte, dass man bestimmte Sachen nicht verlernt (Radfahren, Autofahren, Skifahren, Sexfahren, nee, Moment), die stimmt so ja gar nicht. Natürlich kommt man schnell wieder rein, aber am Anfang wackelt man ein bisschen, am Anfang ist man vorsichtig. Ganz schlechte Idee, natürlich, denn dann passiert einem erst recht was. Radfahrer mit Helm, zum Beispiel. Die eiern derart rum, dafür braucht man nun wirklich keinen Kopfschutz, aber genau denen passiert meist ein Auto oder ein anderer Radfahrer (ich). Wo ich gerade bei Helm und Rad bin, ich behauptete mal, Radfahren sei kein Sport. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass ein Rad trotzdem ein Sportgerät ist. Meine Damen und Herren mit den Beachcruisern und den Liegerädern: Ein Fahrrad ist kein Fernsehsessel. 1
Jetzt ist er weg, gut so, ein Kostenpunkt weniger. Was ich damit an Geld spare, das lässt sich in Taxifahrten ja gar nicht aufrechnen.
1 Und liebe Mädchen: Ein Fahrrad ist auch kein Pferd.
Starthilfe
Nächster Punkt: Selbstständig machen, Auftritt Agentur für Arbeit. Ich weiß, an welchem Schalter in welchem Stockwerk ich antreten muss, aber das vermindert die Wartezeit leider. Außerdem bin ich mittlerweile derart abgebrüht, dass mich selbst die Schreibtischdekorationen der Sachbearbeiter nicht mehr erheitern. Kätzchenposter, personifizierte Tassen und bunt ausgedruckte Sprüche machen nunmehr das, wozu sie vielleicht sogar da sind: mich zusehens mürbe. Schließlich bin ich hier auf der Flucht und nicht auf der Arbeit.
Meine Sachbearbeiterin und ich, wir hatten anfangs kleine Verständigungsschwierigkeiten. Ich könnte zum Beispiel erzählen, dass ich ihr bei meinem Antrittsbesuch »hotmail« buchstabieren musste, aber dann müsste ich zugeben, dass ich damals noch eine Hotmail-Adresse hatte. Es dauerte auch nur ein paar Monate, bis sie aufhörte, mir Stellenangebote für »Assistenz der Geschäftsführung« zu schicken, obwohl ich klipp und klar erklärt hatte: Lieber eher nicht mehr Sekretärin, wenn’s irgendwie geht, bitte.
Noch länger dauerte es, bis sie mit der wichtigsten Information rausrückte. Und damit meine ich nicht: »Sie dürfen fei die Stadt nicht verlassen
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