Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
aber unter einem umgestürzten Stück Mauerwerk begraben. Ihr Bruder war verschwunden.
    Wir sahen uns an. Ich wusste, was sie dachte: ›Du hast gekriegt, was du wolltest. Lässt du mich hier liegen, sterbe ich. Keiner, der hinter dir und deinen Kindern her ist.‹ Sie hatte resigniert, war angewidert. Resigniert, weil sie nicht in einer Welt lebte, in der man an die Güte eines anderen appellierte. Angewidert, weil nach allem, was sie gesehen und getan hatte (ihre Geschichte umfing sie, als würde ihr Geist bereits seine Abreise üben), sie nun ihrem schmachvollen Ende entgegensah, hilflos gefangen, auf einen tollen WOKOP-Hecht wartend, der sie pfählte oder enthauptete, ganz wie es ihm gefiel, irgendein sterblicher Trottel, dessen Erinnerungen sich zu den ihren verhielten wie ein Floh zu einer Großstadt.
    Vampire sind stark – aber nicht so stark wie wir. Lorcan spürte das, kletterte mir auf den Rücken und klammerte sich fest, damit ich die Arme frei hatte. Mias Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Wir verstanden uns.
    ›Falls du glaubst, das würde heißen, ich töte dich nicht, dann hast du dich getäuscht.‹
    ›Ich weiß. Kannst du gehen?‹
    Schienbein und Oberschenkel des linken Beins waren gebrochen, das Schienbein hatte sich durch die milchigweiße Haut knapp unterhalb des Knies gebohrt. (›Beine, die sich in einer Anzeige für teure Nylons wohl gefühlt hätten.‹ Ach, Jacob, wenn du nur hier wärst!) Ganz gleich, wie schnell es verheilte, es würde nicht schnell genug sein, um sie hier wegzuschaffen, bevor die Jäger kamen. Ein Hickorypfeil traf sie im Gesicht, schlug ihr durch die linke Wange in den Mund. Sie zog ihn heraus, spuckte dunkles Blut. Zwei weitere trafen das verletzte Bein.
    Ich hielt ihr meine Hand hin.
    Ihr war sichtlich schlecht – die Nasenflügel zitterten, ihr Kehlkopf hob sich, die Mundwinkel verzogen sich nach unten –, doch sie nahm sie. Ich fragte mich, ob sie schon jemals einen Werwolf berührt hatte.
    Walker, der ihren Geruch so nah nicht ertragen konnte, ging ein Stück beiseite.
    Trish und Lucy hatten mindestens ein Drittel ihres Opfers gefressen. Bei dem Geruch spannte sich Lorcan auf meinem Rücken an – war aber nicht hungrig. Offenbar hatten sie ihn gefüttert. Wahrscheinlich mit einem zugedröhnten, irren oder dazu gezwungenen Vertrauten. Oder, als Hommage ans Kino, mit einer Bauerstochter mit wogendem Busen und zerrissener Bluse, Augen weit aufgerissen, Haut feucht vor Schweiß. Wie auch immer sie es getan hatten, ich konnte jedenfalls diese Stücke fremden Lebens, diese schmutzige Bereicherung in ihm spüren. Ich war erleichtert, hatte aber ungeheuren Hunger. Walker ebenfalls. Er hatte Murdoch zwar das Leben genommen, ihn aber nicht gefressen. Ich hatte gedacht: ›Er will ihn nicht in sich haben. Den nicht. Nicht in sich.‹
    HELFT MIR MIT IHR.
    Aber sie konnten nicht. Der Gestank. Stattdessen nahm mir Trish Lorcan ab. Er ging bereitwillig zu ihr, nachdem ich ihm die Aufforderung dazu geschickt hatte. Meine Seele zerriss es ein wenig, als mir sein Gewicht abgenommen wurde. So würde es von nun an für immer sein, solange wir lebten. Ich hob mir Mia auf die Schulter, auch wenn ich wusste, dass sie sich gedemütigt fühlen würde. Ich spürte sie leer würgen, bemerkte, dass sie keine Nasenpaste trug; natürlich nicht: Sie hatte wissen wollen, wann wir kamen.
    Wir rannten in den Hof hinaus. Die WOKOP-Truppen waren noch nicht am Boden, und es gab nur vier Hubschrauber. Ein paar Vampire hatten Position bezogen – mit Maschinengewehren bewaffnet – und erwiderten das Feuer. Der Mond, der in die erste Phase der nun religiös überflüssigen Finsternis trat, war ein blutumrandeter Pfirsich. Walker, der Konstantinov schulterte, war links vor mir, Fergus rechts. Cloquet (der die Machete gegen ein herrenloses Maschinengewehr eingetauscht hatte) war in meiner Nähe, rannte so schnell er nur konnte und sah aus, als würde ihn das umbringen. Lucy und Trish bildeten die Nachhut. Eine Art Leichtsinn schwebte zwischen uns. Cloquet würde nicht in der Lage sein, unser Tempo mitzuhalten, würde die Schmach ertragen müssen, getragen zu werden. Fergus bog bei meinem Gedanken nach links ab und warf ihn sich über die Schulter.
    Der erste der vereinzelten Bäume war nah. Ein verletzter Vampir-Vertrauter kroch lächerlich gut sichtbar darauf zu.

64
    Wir rannten weiter, bis wir in tiefen Wald kamen, gingen vierhundert Meter weit hinein und blieben stehen, um Luft zu holen.

Weitere Kostenlose Bücher