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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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fand Walker es nötig, all diese Informationen an Hoyle weiterzugeben? Die Antwort darauf: Es hielt es nicht für notwendig. Er hat einfach nicht nachgedacht. Er hat ein loses Mundwerk.«
    Wobei er diese Wortwahl gleich wieder bedauerte, wie eine winzige Veränderung in seinem Falkenblick einräumte. Walkers Mund. Auf dem Mund seiner, Murdochs, Frau. Auf ihren Brüsten, ihrer Vagina, überall. Nicht, dass dies die Wurzel ihrer Todfeindschaft war. Die Wurzel ihrer Feindschaft war, dass beide, Walker und er, dieselbe Langeweile kannten, dieselbe Einsamkeit, dieselbe Gewissheit, dass das, was sie taten, nicht zählte – und doch verfügte Walker über eine Art Vorzug, und sei es nur der Vorzug, liebenswürdig zu sein. Für Murdoch war dies der eine Verdruss, der sich zu einer Besessenheit ausgewachsen hatte: Walker hatte ganz nebenbei bewiesen, dass es auch eine andere Reaktion auf die ungeheure mathematische Stille gab. Und er hatte Murdochs Frau gevögelt.
    »Außerdem«, fuhr Murdoch fort, »steckte seine Geburtsurkunde in Ihrem Rucksack. Zusammen mit …«, er zog das Tagebuch aus der Jackentasche, »Jake Marlowes Tagebuch. Ich hatte nicht gewusst, dass Menschen zu töten und zu fressen für euch sexuell erregend ist.«
    Darauf wollte ich eine schnoddrige Antwort geben – doch lieber war mir, ich bekam das Buch zurück.
    »Ich weiß, die Antwort lautet vermutlich nein«, sagte ich, »aber kann ich das Tagebuch wohl zurückhaben? Sie haben doch sowieso schon Kopien gemacht oder es abgescannt oder was auch immer, richtig?«
    »Ja.«
    »Also, kann ich es haben?«
    Die Frage führte zu einer merkwürdigen Stille. Es gab keinen Grund für Murdoch einzuwilligen. Außer dem Vergnügen, dass es ihm bereiten würde, meine Erwartungen zu unterlaufen, dass er nicht einwilligen würde. Von dem er wusste, dass ich damit rechnete. Also würde er das Gegenteil tun. Was ich ebenfalls erwartete – daher also die Neigung dazu, jene Erwartung zu unterlaufen … und so weiter, ad infinitum . Es war, als würden wir diese hypnotische Unterhaltung laut führen – dabei wusste ich, wenn ich tatsächlich etwas laut aussprach – Bitte, nur damit ich Gesellschaft habe, wenn der Junge schläft  –, würde er mich nur in all seiner ruhigen, verstörten Würde anstarren und sich dann umdrehen und ohne ein Wort verschwinden.
    Er reichte mir das Tagebuch durchs Gitter. Das Gedankenlesen verwandelte diese Geste in etwas Intimes. Es war, als würde er seinen eigenen Hass überprüfen. Das waren die Grenzen der Neugier, an denen er operierte.
    »Um die andere Frage zu beantworten«, erklärte er, »nein, ich weiß nicht, wo die Vampire Ihren Sohn gefangen halten oder Konstantinovs Frau. Wenn wir mit Walker und den anderen fertig sind, und wenn die Laborkittel über Ihr Schicksal entschieden haben, werde ich mir diese Remshi-Geschichte mal genauer anschauen.«
    »Sie wissen also von der Legende?«
    »Wir alle wissen davon. Jeder macht irgendwann mal eine Phase mit dem Buch Remshi durch. Wobei ›Phase‹ das entscheidende Wort ist. Eine verlockende Vorstellung, der älteste lebende Vampir – man stelle sich nur mal vor, was für Geschichten der erzählen könnte! –, aber das Buch ist langweilig. Niemand liest es wirklich.« Jake (oder ich, Grainer oder vielleicht sogar Ellis) hätte hinzugefügt: Das ist WOKOPs Finnegan’s Wake . Aber Murdoch las nicht. Wie Frauen hatten auch Bücher nicht das gehalten, was sie ihm mal versprochen hatten. Wie Frauen waren auch Bücher verschlagen und falsch, und am Ende boten sie kein Gegenmittel gegen die Leere, in die er in all diesen Jahren schreiend stürzte. Wie Frauen, konnten auch Bücher ihn nicht aufhalten.
    »Aber Sie glauben, dass es ihn gibt?«
    Sein Headset klickte. Er hielt einen Finger an das Ohrteil. »Ja.«
    Pause.
    »In Ordnung, ich komme.« Zu mir: »Die Pflicht ruft.« Er durchquerte den Gang. »Wenn er existiert«, sagte er noch, »dann macht das keinen Unterschied. Er wird nicht wissen, woher er kommt oder wohin er geht. Er wird jede Menge Geschichten kennen … Geschichten wird er haben. Aber mehr auch nicht. Letztlich ist er auch nur ein weiteres Monstrum, das Menschen tötet, soll heißen, mein Job wird es sein, ihn zu finden und zu töten.«
    Murdoch zog seine Karte durch die Maschine und bekam dafür die Piepser und das hydraulische Seufzen. Mit den dumpfen Geräuschen der Präzisionstechnologie schloss sich die Tür hinter ihm. Ich lehnte meinen Kopf an die Stangen.

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